Der Wikileaks-Gründer Julian Assange steht erneut vor Gericht. Er soll zwei Frauen in Schweden missbraucht haben. Antworten zum Prozess.

Stockholm/London. Wikileaks-Gründer Julian Assange ist erneut zu einer Anhörung vor einem britischen Gericht erschienen. Der Australier wehrt sich gegen seine Auslieferung nach Schweden, wo er wegen Vergewaltigungsvorwürfen verhört werden soll. Der 39-Jährige hat die Anschuldigungen zurückgewiesen. Unterstützer von Wikileaks gehen davon aus, dass die Vorwürfe Teil einer Schmutzkampagne des US-Geheimdienstes CIA gegen die Enthüllungsplattform sind.

Warum soll Assange an Schweden ausgeliefert werden?

Die schwedische Staatsanwaltschaft will Assange zu Vorwürfen befragen, die zwei Frauen gegen ihn erhoben haben. Während eines Besuchs in Schweden im vergangenen Jahr soll er sie sexuell missbraucht haben. Eine sagt, Assange habe während des Geschlechtsverkehrs absichtlich das Kondom beschädigt. Die zweite Frau wirft ihm vor, mit ihr Sex gehabt zu haben, während sie geschlafen habe. Dies könnte nach schwedischem Recht als Vergewaltigung gelten.

Würde Assange in Schweden inhaftiert werden?

Ja, zumindest für einige Zeit. Assange würde bei seiner Ankunft in Schweden verhaftet werden, innerhalb von vier Tagen müsste eine Anhörung stattfinden. Nach dem Verhör kann die Staatsanwaltschaft Assange freilassen oder vor Gericht eine Verlängerung der Untersuchungshaft beantragen. Alle zwei Wochen muss eine neue Anhörung anberaumt werden, bis Assange angeklagt oder freigelassen wird. Eine Kaution ist nach schwedischem Recht nicht vorgesehen.

Assanges Anwälte sagen, es bestehe die Gefahr, dass Schweden ihn an die USA überstellt. Wie wahrscheinlich ist das?

Assange ist in den USA nicht angeklagt worden. Läge in den USA eine Klage gegen ihn vor, wäre nach Einschätzung schwedischer Rechtsexperten eine Auslieferung aus Schweden nicht wahrscheinlicher als aus Großbritannien. Aufgrund des derzeitigen Auslieferungsverfahren zwischen Großbritannien und Schweden wäre für die Überstellung Assanges an ein drittes Land die Zustimmung beider Staaten nötig, sagte der Leiter der Rechtsabteilung der Stockholmer Staatsanwaltschaft, Nils Rekke. Er wies darauf hin, dass Großbritannien und die USA enge Verbündete sind.

Wie üblich ist es, dass Menschen von Schweden und Großbritannien in die USA ausgeliefert werden?

Nach Angaben des schwedischen Justizministeriums haben die USA seit 2000 die Auslieferung von sieben Menschen aus Schweden beantragt. Fünf Anträgen wurde stattgegeben und zwei wurden ablehnt, weil sich die Verdächtigen offenbar nicht mehr in Schweden aufhielten. Großbritannien und die USA schlossen 2003 einen Vertrag über die Vereinfachung des Auslieferungsverfahrens, um Terrorverdächtige schneller überstellen zu können. Seit Inkrafttreten im April 2007 wurden nach Angaben der britischen Regierung 23 Menschen von Großbritannien an die USA ausgeliefert. Nach Einschätzung von Rechtsanwältin Karen Todner könnte Assange sich in Schweden einer Auslieferung in die USA womöglich leichter entziehen als in Großbritannien.

Könnte die Staatsanwaltschaft oder die schwedische Regierung von den USA beeinflusst worden sein, um Assange festnehmen zu lassen?

Nach Einschätzung der meisten Rechtsexperten in Schweden würde die Staatsanwaltschaft keine Anweisungen von Politikern akzeptieren. Das wäre illegal. Assange Unterstützer geben jedoch zu bedenken, dass sich Schweden bei einer Razzia gegen die Internettauschbörse Pirate Bay und bei der geheimen Auslieferung von zwei ägyptischen Terrorverdächtigen bereits dem Druck der USA gebeugt hatte.


Ist Assange in Schweden eines Verbrechens angeklagt worden?

Nein. Er wird der Vergewaltigung, der sexuellen Belästigung und der Nötigung bislang lediglich verdächtigt. Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft und der schwedischen Gerichte besteht jedoch ein „hinreichender Verdacht“, dass er die Verbrechen begangen hat. Dabei handelt es sich in Schweden um einen höheren Grad des Verdachts. Das bedeutet jedoch nicht, dass Assange auf jeden Fall angeklagt wird. Üblicherweise dauert es Monate, bis die schwedische Staatsanwaltschaft entscheidet, ob sie einen Fall zur Anklage bringt.

Wie hoch ist das Strafmaß in Schweden für diese Art von Verbrechen?

Es reicht von Geldstrafen für leichte Verstöße bis zu Freiheitsstrafen von sechs Jahren für Vergewaltigung. In Fällen, in denen zunächst einvernehmlicher Geschlechtsverkehr stattfindet und sich später eine Vergewaltigung entwickelt, beträgt die Höchststrafe üblicherweise vier Jahre Haft. (dapd)