El-Baradei soll unter Hausarrest stehen. Die Handynetze in Ägypten wurden abgeschaltet. Zehntausende strömten zu neuen Protesten.

Kairo. Zehntausende Ägypter haben nach dem Freitagsgebet in Ägypten gegen die Regierung und gegen Präsident Husni Mubarak protestiert. Nach Angaben des Nachrichtensenders al-Arabija zogen einige Demonstranten zum Präsidentenpalast in Kairo. Vor einer Moschee im Stadtteil Giza kesselte die Polizei eine Gruppe von Demonstranten ein, zu der auch der ehemalige Chef der Internationalen Atomenergiebehörde, Mohammed el-Baradei, gehörte, der sich an die Spitze der Demonstranten stellen will. Al-Arabija meldete, einige Polizisten in Kairo hätten ihre Uniformen ausgezogen und sich den Demonstranten angeschlossen. Im Zentrum der Hauptstadt setzte die Polizei nach Angaben von Augenzeugen Wasserwerfer, Schlagstöcke und Tränengas ein, um die Demonstranten auseinander zu treiben. Zahlreiche Menschen wurden verletzt. Al-Dschasira berichtete sogar von einem Toten. Die Polizei attackierte auch Journalisten und nahm Kamerateams ihre Aufzeichnungen ab.

Am Freitagnachmittag soll el-Baradei auch unter Hausarrest gesetzt worden sein. Das meldete die Nachrichtenagentur AP. Der Friedensnobelpreisträger und mehrere Bekannte wurden nach einem Moscheebesuch von der Polizei eingekesselt.

Die Enthüllungsplattform WikiLeaks hat am Freitag zahlreiche Depeschen von US-Diplomaten aus Kairo veröffentlicht. Die geheimen Mitteilungen belegen, dass US-Vertreter wiederholt die Menschenrechtslage anprangerten, sich aber nur vorsichtig hinter verschlossenen Türen eingemischt haben. Zugleich wird laut WikiLeaks deutlich, dass die Amerikaner stark auf die Regierung von Präsident Husni Mubarak als Verbündeten im Antiterrorkampf sowie im Umgang mit dem Iran setzten.

So wurde in einem Hintergrund-Text für FBI-Chef Robert Mueller von Februar 2010 die „starke Zusammenarbeit“ mit dem ägyptischen Geheimdienst SSIS hervorgehoben. Zugleich empfahlen die Diplomaten dem FBI-Direktor aber auch, sich besorgt über den fortlaufenden Ausnahmezustand zu zeigen, in dem politische Aktivisten von Staatssicherheitsgerichten verurteilt werden können. Betroffen davon sei oft die größte Oppositionsgruppe, die Muslimbruderschaft, die für eine Islamisierung des Staates mit friedlichen Mitteln eintritt. Mehrere Depeschen listen ausführlich Fälle verhafteter Journalisten und Blogger auf.

Der arabische Nachrichtensender al-Dschasira meldete weiter, auch in der südlichen Provinz Minia habe es Proteste gegeben. Bei Protesten in der Hafenstadt Alexandria sei es zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei gekommen. Friedliche Demonstrationen gab es in den südlichen Städten Luxor, Kena und Assuan. Die Regierungsgegner hatten zu einem „Freitag der Wut“ aufgerufen. Da Demonstrationen in Ägypten meist nicht geduldet werden, benutzen die Ägypter häufig das Freitagsgebet, um sich trotzdem zu versammeln. Die ägyptischen Behörden haben nach Angaben des Vodafone-Konzerns die Abschaltung des Mobilfunknetzes in bestimmten Teilen des Landes angeordnet. Davon seien alle in Ägypten tätigen Mobilfunkkonzerne betroffen. Nach ägyptischem Recht könnten die Behörden dies anordnen und die Firmen müssten dies auch umsetzen. Seit den frühen Morgenstunden ist schon der Internetzugang in Ägypten weitgehend abgeschaltet.

Angesichts der Unruhen haben mehrere deutsche Reiseveranstalter am Freitag wieder Ausflüge nach Kairo gestrichen. Dazu gehören Thomas Cook/Neckermann und die Rewe Touristik. Über das Ausflugsprogramm werde derzeit von Tag zu Tag entschieden, sagte Nina Kreke von Thomas Cook dem dpa-Themendienst. Der Veranstalter will Ausflüge in die ägyptische Hauptstadt frühestens wieder am Montag anbieten. Für das Wochenende seien ohnehin keine Ausflüge geplant gewesen. Die Rewe Touristik – ITS, Jahnreisen und Tjaereborg – hat bis einschließlich zum 4. Februar alle Tagesausflüge nach Kairo und Alexandria ausgesetzt, wie ein Sprecher bestätigte.

Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle (FDP) hat eindringlich an die ägyptische Regierung appelliert, nicht mit Gewalt auf die Proteste Oppositioneller zu reagieren. Wer versuche, Freiheitswillen gewaltsam zu unterdrücken, „der wird nur Extremismus ernten“, sagte er. Das selbstverständliche Recht der Menschen in Ägypten zu protestieren, müsse von der Regierung respektiert werden. „Deutschland steht an der Seite der Demokratie, der Menschen- und der Bürgerrechte“, sagte Westerwelle. „Wir wenden uns entschieden gegen jede Form gewalttätiger Unterdrückung von solchen freiheitsliebenden Entwicklungen, wie wir sie in Tunesien erlebt haben, und wie sie sich möglicherweise in anderen Ländern auch durchsetzen können.“

Die derzeitige Entwicklung in Ägypten sehe er mit „großer Sorge“, sagte Westerwelle. Er war selbst zuletzt im Urlaub in Ägypten. Zur Frage, ob er den Friedensnobelpreisträger Mohammed el-Baradei als Hoffnungsträger für Ägypten sehe, wollte er sich nicht äußern: „Ich spekuliere nicht zur ägyptischen Innenpolitik.“