Deutschland hofft auf kleine Schritte beim Klimagipfel. China, USA, Kanada, Russland und Japan sperren sich weiter gegen Kyoto-Folgeabkommen.

Cancún. Kurz vor dem heutigen Start der entscheidenden Ministerrunde beim Uno-Klimagipfel herrschte vorsichtiger Optimismus am mexikanischen Tagungsort Cancún. "Wir sehen einen Silberstreif am Horizont", sagte Martin Kaiser, der für Greenpeace die Konferenz beobachtet, dem Hamburger Abendblatt. "Für fast alle Bereiche liegen jetzt Textvorschläge auf dem Tisch. Sie sind so vorbereitet, dass es bei strittigen Punkten alternative Textpassagen gibt. Das ist eine gute Entscheidungsgrundlage für die Minister."

Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) wird heute in Cancún ankommen. Er erwartet von der Konferenz keinen Durchbruch in der Klimapolitik. Vielmehr müsse versucht werden, die unverbindlichen Vereinbarungen aus dem Jahr 2009 jetzt in kleinen Schritten umzusetzen. "Die erste Woche verlief erwartungsgemäß unspektakulär", so Regine Günther, Klimaexpertin bei der Umweltstiftung WWF. Sie erwartet, dass es mit Eintreffen der Minister zumindest in Teilaspekten vorangeht.

Um die Verhandlungen zu beschleunigen, setzte Konferenzpräsidentin Patricia Espinosa, Außenministerin des Gastgeberlandes, für die wichtigsten Themenbereiche jeweils zwei Minister ein. So werden sich Großbritannien und Brasilien besonders um das Thema Nachfolgeabkommen des Kyoto-Protokolls kümmern. Vor allem die Entwicklungsländer möchten am Kyoto-Prozess festhalten, weil die Struktur des Protokolls für die Industriestaaten vergleichsweise hart und bindend ist. "Hier liegt eine der Hauptbaustellen", sagte der deutsche Verhandlungsführer Karsten Sach.

Neben China, USA, Kanada und Russland ist Japan einer der Hauptgegner einer zweiten Verpflichtungsperiode des 2012 auslaufenden Protokolls, das 1997 im japanischen Kyoto verabschiedet wurde. Greenpeace-Experte Kaiser zeigt Verständnis für die japanische Position: "Japan hatte angekündigt, seinen Treibhausgasausstoß um 25 Prozent zu reduzieren. Nun ist es zu keinen weiteren Zugeständnissen bereit, solange andere Industrienationen nicht mitziehen. Es wartet auch auf die EU." Sie habe das längst zugesagte Minus von 20 Prozent noch nicht auf die bereits ins Gespräch gebrachten minus 30 Prozent erhöht.

Nach der mexikanischen Gipfel-Regie werden die Minister von Australien und Bangladesch die Verhandlungsrunde zu Finanzierungsfragen sowie zum Technologie- und Wissenstransfer leiten. Hier müssen die Industriestaaten auf dem Gipfel von Kopenhagen zugesagte Finanzmittel zusätzlich zur Verfügung stellen - die Gefahr ist groß, dass stattdessen nur umgebucht wird, indem zum Beispiel Gelder der Entwicklungshilfe in Anpassungsmaßnahmen zum Schutz vor Klimafolgen fließen und damit als Beiträge zur Klimafinanzierung angerechnet werden.

Ein zweiter Streitpunkt ist die Frage, wer den mit zunächst jährlich 30 Milliarden Dollar und ab 2020 jährlich 100 Milliarden Dollar bestückten Fonds verwalten sollte. Die Entwicklungsländer hätten ihn gern unter dem Dach der Vereinten Nationen. Die USA favorisieren dagegen die Weltbank, bei der die Entwicklungsländer kein Mitspracherecht haben. "Wichtig ist, dass die Gelder aus Deutschland und der EU nicht zur Wirtschaftsförderung bereitgestellt werden, sondern den Ländern wirklich helfen, ihre Urwälder zu schützen und sich gegen Klimafolgen zu schützen", betont Martin Kaiser.

Nach dem weitgehend gescheiterten Klimagipfel 2009 in Kopenhagen legt die mexikanische Verhandlungsführerin Espinosa viel Wert auf Transparenz. Es werde keine "versteckten Texte und geheime Verhandlungen" geben, jede Delegation, jeder Minister sollte für alle ansprechbar sein. Die Tatsache, dass es in Kopenhagen nicht einmal ein einhelliges Votum für ein weitgehend unverbindliches Abschlussdokument gegeben hatte, wurde auch darauf zurückgeführt, dass zum Ende der Verhandlungen geschlossene Zirkel gebildet wurden, deren Ergebnisse Länder, die außen vor gelassen wurden, danach nicht akzeptierten.

Ein Teil des in Kopenhagen verloren gegangenen Vertrauens konnte in Cancún bereits zurückgewonnen werden. Der EU-Verhandlungsleiter Artur Runge-Metzger sieht noch gute Chancen für einen Erfolg. Die erste Woche sei sehr konstruktiv verlaufen, auch wenn es noch einige Aggressionen gebe.