Der Staat greift den Vermögenden tiefer in die Tasche. 22 Prozent an Steuern sollen überall gelten. Verlässt auch Roger Federer die Schweiz?

Genf. Reiche in der Schweiz fürchten höhere Steuern. Sollten die Eidgenossen am 28. November für höhere Abgaben der Superreichen stimmen, drohen diese – darunter auch Deutsche – mit dem Wegzug. Für die sogenannte Steuerinitiative wirbt besonders die Sozialdemokratische Partei SP. Ihr ist vor allem der Wettbewerb um den niedrigsten Steuersatz zwischen einzelnen Kantonen ein Dorn im Auge. Dort siedeln sich die Reichen sowie bestimmte Unternehmen an, während andere Kantone das Nachsehen haben. Ob eine Mehrheit der Stimmberechtigten aber für „faire Steuern“ ist, bleibt nach jüngsten Umfragen durchaus zweifelhaft.

Die Kantone können weitgehend selbst bestimmen, wie hoch sie Unternehmen und reiche Bürger besteuern. Das hat zur Folge, dass besonders im Zentrum des Landes, etwa in den Kantonen Zug oder Schwyz, sich immer mehr Reiche ansiedeln. Die Immobilienpreise steigen dort in Rekordhöhen, die Einheimischen müssen zum Teil wegziehen.

Die SP will erreichen, dass unter anderem Alleinstehende ab 250.000 Franken (186.000 Euro) Einkommen in der ganzen Schweiz mindestens 22 Prozent Steuern zahlen. Vielerorts liegt der Satz deutlich darunter. Superreiche müssten für Vermögen ab zwei Millionen Franken fünf Promille Mindeststeuer berappen. Die Befürworter dieser Erhöhungen gehen aber davon aus, dass 99 Prozent der Bevölkerung nicht betroffen wären. Das macht die Abstimmung für die Reichen gefährlich, da nicht nur Linke oder Grüne mir ihr sympathisieren, wie Umfragen zeigen.

Mit Wahlplakaten, Inseraten und in den Medien hält vor allem der Wirtschaftsverband Economiesuisse dagegen und verweist dabei auf bekannte Unternehmer. So drohte Alfred Schindler, Chef des gleichnamigen Aufzugherstellers, ins Ausland zu ziehen. „Mir bedeutet die Schweiz viel, aber für mich würde die Steuerbelastung auf über 70 Prozent steigen. Das ist Enteignung und nicht tragbar. Die Schweiz würde sozialistisch“, sagte er der „SonntagsZeitung“. Ähnliches liest man derzeit von Eisenbahn- und Küchenbauern, Rohstoffhändlern und Zementunternehmern.

Zeitungen verweisen sogar auf Tennisstar Roger Federer, der im Steuerparadies-Kanton Zug wohnt. Dort soll Federer, der auch in Dubai ansässig ist, im vergangenen Jahr 3,2 Millionen Franken (fast 2,4 Millionen Euro) an Steuern gezahlt haben. Mindestens 2 Millionen mehr wären es bei Annahme der Initiative. Und dass solche Drohungen wahr gemacht werden, erlebt gerade der Kanton Zürich. Dort wurde vor allem mit Stimmen der bürgerlichen Parteien unerwartet die sogenannte Pauschalbesteuerung von Superreichen abgeschafft, eine Steuer, die etwa nach dem mehrfachen der Miete berechnet wird.

Nach Angaben der Finanzchefin der Stadtverwaltung Zürich, Ursula Gut, haben bis jetzt rund 30 Betroffene Zürich deswegen verlassen. Aber das Steuerland Schweiz ist nicht überall paradiesisch: Stimmen die Bürger mit Ja, müssten zwar 16 Kantone vor allem in der Deutschschweiz, wo viele der über 350.000 Deutschen leben, ihre Einkommen- und Vermögenssteuern zumindest teilweise erhöhen. Aber in den Kantonen Bern, Basel-Stadt und Baselland sowie im Tessin und im französisch-sprachigen Teil des Landes, darunter Genf, sind die angestrebten Steuerhöhen schon erreicht.

Und gerade nach Genf zieht es vor allem internationale Firmen mit hoch bezahlten Mitarbeitern, darunter Procter and Gamble oder Kodak. Der amerikanische Konzern Garmin verlegte seinen Firmensitz aus Steuergründen nach Schaffhausen, andere US-Firmen wie Google oder Ebay sind schon in der Schweiz. Auch mehrere britische Firmen und Hedge-Fonds haben ihren Sitz in die Schweiz verlagert, darunter der Versicherer Beazley.

Der Zuzug könnte sich nach der Abstimmung verlangsamen. Unter anderem weil das Steuerrecht und das Bankgeheimnis immer weiter angeknabbert werden, sagen Kritiker. Nach einer Umfrage hat die Schweiz im Wettbewerb um die Hauptsitze internationaler Konzerne an Boden verloren. Rund ein Drittel von 80 befragten international tätigen Konzernen mit Hauptsitz in der Schweiz finden, dass sich der Standort Schweiz innerhalb der vergangenen Jahre verschlechtert habe.