In Bonn soll 2011 über das weitere Vorgehen in Afghanistan beraten werden. Die Nato will auch die Beziehungen zu Russland verbessern.

Hamburg/Lissabon. Die Nato hat auf ihrem Gipfel in Lissabon eine Ausstiegsstrategie für ihre Truppen in Afghanistan beschlossen. Bis Ende 2014 soll die Verantwortung für die Sicherheit im Land schrittweise an die afghanische Armee und Polizei übergeben werden. Nach einem Gipfeldokument, das die Staats- und Regierungschefs am Sonnabend verabschiedeten, soll der Prozess Anfang 2011 „in einigen Provinzen und Distrikten“ beginnen. Innerhalb von vier Jahren sollen die afghanischen Sicherheitskräfte im ganzen Land die Verantwortung übernehmen.

Allerdings werden internationale Truppen wohl auch nach 2014 am Hindukusch bleiben. In dem Dokument ist von einer „neuen Phase der gemeinsamen Anstrengungen“ die Rede. Es sollen die die Bedingungen für einen „unumkehrbaren Übergang zur vollen afghanischen Sicherheitsverantwortung“ geschaffen werden. Ergänzt werden soll die Erklärung durch ein Partnerschaftsabkommen zwischen der Nato und Afghanistan nach 2014.

Der Gipfel kam zudem überein, im November 2011 auf einer großen Konferenz in Bonn über das weitere Vorgehen am Hindukusch zu beraten. Wie aus Diplomatenkreisen verlautete, begrüßte der afghanische Präsident Hamid Karsai die Bereitschaft Deutschlands, die Konferenz auszurichten. Zu dem Treffen kommen voraussichtlich die Außenminister. Die erste internationale Afghanistan-Konferenz fand Ende 2001 auf dem Petersberg bei Bonn statt.

Die Nato wollte in Lissabon auch in den Beziehungen mit Russland eine neue Ära einleiten. Bei einem Treffen mit dem russischen Staatspräsidenten Dmitri Medwedew wollten die 28 „Chefs“ der Nato eine neue Partnerschaft begründen und Moskau eine Zusammenarbeit bei ihrer neuen Raketenabwehr für Europa anbieten. Diplomaten und Militärs sprechen bereits von einem neuen „Sicherheitssystem von Vancouver bis Wladiwostok“. Die Beziehungen der Nato zu Moskau waren seit dem russischen Feldzug in Georgien 2008 stark belastet.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bezeichnete die Annäherung der ehemaligen Gegner Nato und Russland als historisch. Zugleich warnte sie vor zu hohen Erwartungen an die neue Zusammenarbeit. Es liege noch ein langer Weg vor der Nato, gemeinsam mit Russland mehr Sicherheit zu schaffen. „Aber dass der Weg überhaupt eingeschlagen wird, ist von außerordentlicher Bedeutung“, sagte die Kanzlerin in Lissabon. In ihrer wöchentlichen Videobotschaft betonte sie, zwei Jahrzehnte nach dem Ende des Kalten Krieges stehe die Nato vor veränderten sicherheitspolitischen Herausforderungen. Heute müsse sich das Bündnis gegen Terrorismus und die Folgen zerfallener Staaten wappnen.

Am Vortag hatte die 61 Jahre alte Allianz sich auf dem Gipfel eine neue Strategie verpasst, mit der sie sich gegen neue Gefahren wie den internationalen Terrorismus oder Attacken aus dem Internet zu wappnen will. Die neue Strategie – eine Art Grundgesetz des Bündnisses - ersetzt ein elf Jahre altes Dokument. Die Nato bleibt aber auch in der neuen Version ihrer Beistandspflicht treu: Ein Angriff gegen ein Mitglied ist ein Angriff gegen alle. Zudem hatten die Staats- und Regierungschefs den Aufbau einer neuen Raketenabwehr gebilligt. US-Präsident Barack Obama sagte: „Zum ersten Mal haben wir uns auf die Entwicklung einer Raketenverteidigung geeinigt, die stark genug ist, das gesamte europäische Nato-Gebiet und seine Bevölkerung zu schützen.“ Der Abwehrschirm richtet sich insbesondere gegen Iran – das Land wird jedoch in dem Nato-Text nicht erwähnt.

In der Nähe des Tagungsorts nahm die portugiesische Polizei am Sonnabend rund 40 Nato-Gegner fest. Sie hatten nach Angaben der Behörden an einer nicht genehmigten Kundgebung teilgenommen. In der Innenstadt von Lissabon waren für Sonnabend mehrere Kundgebungen geplant. Die portugiesischen Gastgeber schützen den Gipfel mit einem gewaltigen Sicherheitseinsatz. 10.000 Sicherheitskräfte sind im Einsatz. Der Flugverkehr über Lissabon wurde eingeschränkt.