Scheitern in Washington die morgen beginnenden Verhandlungen, gerät auch US-Präsident Barack Obama in eine prekäre Lage

Hamburg/Washington. "Ich glaube, wir haben unsere Fähigkeiten überschätzt", räumte US-Präsident Barack Obama ungewohnt kleinlaut ein. Das war im Januar - Obama war gerade ein Jahr im Amt und die Enttäuschung über die andauernde Eiszeit im Nahen Osten und das Fehlen einer durchschlagenden amerikanischen Friedensinitiative war weltweit zu spüren.

Echte außenpolitische Erfolge stellten sich auch sonst bislang nicht ein. Zwar zog Obama wie versprochen die amerikanischen Kampftruppen aus dem Irak zurück. Doch zum einen ist unübersehbar, dass die USA dort nicht ein blühendes Staatswesen, sondern ein sicherheitspolitisches Chaos hinterlassen. Zum anderen werden viele der Kampfeinheiten gleich nach Afghanistan umgeleitet, wo das amerikanische Engagement zu scheitern droht.

Ein Erfolg bei der Beilegung des west-östlichen Kernkonfliktes im Nahen Osten wäre da genau das richtige Mittel, um Obamas Renommee als Staatsmann aufzupolieren. Drei Monate lang haben US-Außenministerin Hillary Clinton und Obamas Nahost-Sondergesandter George Mitchell Israelis und Palästinenser bearbeitet. Vor allem Palästinenserpräsident Mahmud Abbas sträubte sich lange - er befürchtete, Israel werde durch monatelange, fruchtlose Verhandlungen einen Zermürbungskurs fahren. Auf ihn und den israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu übte die Obama-Administration massiven Druck aus. Mit Erfolg: Morgen früh nun sollen in der amerikanischen Hauptstadt die ersten Nahost-Friedensgespräche seit zwei Jahren beginnen; heute Abend bereits gibt Obama ein Galadiner für Netanjahu und Abbas. Auch der Rest der geladenen Tischgäste ist allererste Garnitur: der jordanische König Abdullah II., Ägyptens Präsident Husni Mubarak, US-Außenministerin Hillary Clinton und der Nahost-Gesandte der EU, Tony Blair.

Obama setzt mit dieser Veranstaltung vor den Augen der Welt alles auf eine Karte. "Ein Scheitern würde ernsthaft die Glaubwürdigkeit des Präsidenten beschädigen", schrieb der Politikprofessor Alon Ben-Meir von der New York University im Online-Blog der "Huffington Post". Allerdings müsse sich Obama seinen Friedensnobelpreis nun mal verdienen. Obama riskiere aber sein Prestige - "und davon hat er nicht unendlich viel", meinte auch das "Wall Street Journal" skeptisch. In den letzten Jahrzehnten ist noch jeder US-Präsident letztlich an den Kernfragen der Nahost-Problematik gescheitert: dem Status von Jerusalem mit seinen heiligen Stätten, das beide Seiten als Hauptstadt beanspruchen, der Frage der rund fünf Millionen durch die Nahostkriege vertriebenen Palästinenser, die kein Rückkehrrecht nach Israel haben, sowie des Problems der Grenzen eines Palästinenserstaates. Auch die Wasserquellen und die von Israel besetzten syrischen Golanhöhen müssten Teile einer umfassenden Nahost-Lösung sein.

Akut von besonderer politischer Sprengkraft sind jedoch die jüdischen Siedlungen im Westjordanland mit bereits 300 000 Siedlern und in Ost-Jerusalem mit weiteren 200 000. Die rechts-religiösen Parteien, mit denen Netanjahu koaliert, sowie die machtvolle Siedlerbewegung betrachten die besetzten Gebiete als Teil des biblischen Erez Israel, das ihnen zustehe. Amerikaner, Europäer und die Uno haben auf einen Siedlungsstopp und eine Räumung gedrängt. Ein mühsam erzieltes Bau-Moratorium läuft am 26. September aus.

Die Palästinenser verlangen ultimativ eine Verlängerung, die Rechten in Israel mit Außenminister Avigdor Lieberman an der Spitze - der selber in der Siedlung Nokdim auf der Westbank lebt - ebenso ultimativ den Weiterbau. Anderenfalls platze die Koalition. Man werde wohl nur eine weitere feierliche Zeremonie in Washington erleben - wie so oft schon, hat Liebermann gehöhnt.

Folgt Netanjahu der Lieberman-Fraktion, könnte der Friedensprozess bereits dann knirschend zu einem abrupten Halt kommen. Dies brächte auch Obama in eine höchst prekäre Lage. Er müsste dann eigentlich mit harten Bandagen um sein Prestige kämpfen, kann aber aus Rücksicht auf die einflussreichen Rechten in den USA nicht allzu viel Druck auf Netanjahu ausüben.

Schon einmal, 2007, hatten die USA unter George W. Bush versucht, eine Friedenslösung zu erzwingen. Ziel war eine Zwei-Staatenlösung - der Prozess scheiterte kläglich.

Überschattet wird der Beginn der Friedensgespräche von einem Attentat im Westjordanland. Palästinenser haben gestern Abend vier Israelis in ihrem Auto erschossen. Die israelischen Behörden hatten befürchtet, dass Militante versuchen könnten, mit Angriffen auf Israelis die Gespräche zu sabotieren.