Der Außenminister hält an Verhandlungen über einen EU-Beitritt fest. Aber es gibt mit der Türkei Streit über Terrorbekämpfung und Visumspflicht.

Istanbul/Ankara. Die Bundesregierung hat nach den Worten von Außenminister Guido Westerwelle (FDP) großes strategisches Interesse an einer Anbindung der Türkei an die EU. „Da gibt es überhaupt keine Zweifel“, sagte Westerwelle nach mehrstündigen Gesprächen mit seinem türkischen Amtskollegen Ahmed Davutoglu in Istanbul. In den Gesprächen wurden aber auch Meinungsverschiedenheiten zur Intensität der Terrorbekämpfung in Deutschland und der Visumpflicht für Türken bei der Einreise nach Deutschland deutlich.

Ungeachtet innenpolitischer Querschüsse wiederholte Westerwelle, die Bundesregierung stehe zu den Verträgen und Vereinbarungen, die ergebnisoffene EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei vorsehen. Zur Überraschung der Medienvertreter sagte er sogar auf Türkisch: „Die Richtung der Türkei ist Europa.“ („Türkiye 'nin yönü Avropa, dir“). Die Verhandlungen müssten „fair, zuverlässig, sachlich und ohne Hintergedanken“ weitergeführt werden. Er wiederholte aber, dass ein Beitritt der Türkei „heute“ nicht möglich wäre.

Die bayerische Europaministerin Emilia Müller hatte erklärt, wenn Westerwelle die Türkei für einen EU-Beitritt nicht für reif halte, solle er „sich für eine Aussetzung der Beitrittsverhandlungen einsetzen, zumindest bis die weitere Entwicklung in der Türkei realistische Beitrittsverhandlungen rechtfertigt“.

Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth hielt Westerwelle vor, er sei vor Kanzlerin Angela Merkel (CDU) eingeknickt, indem er bei der Frage einer EU-Mitgliedschaft des Landes „ihren Ladenhüter „privilegierte Partnerschaft“ für die Türkei“ übernommen habe. Ein weiteres Mal werde klar, dass er als Außenminister „über keine eigene Haltung verfügt und nicht in der Lage ist, eigene Akzente zu setzen“. Westerwelle vergebe Chancen für Sicherheit und Menschenrechte, Integration und bessere wirtschaftliche Zusammenarbeit, die in einer EU-Mitgliedschaft der Türkei lägen.

Westerwelle äußerte sich zuversichtlich, dass die brasilianisch-türkischen Vermittlungsbemühungen zu einem Gespräch der iranischen Regierung mit der EU-Außenpolitikchefin Catherine Ashton führen. Mögliche Bedenken, dass die Türkei wegen der scharfen EU-Sanktionen eine distanziertere Haltung zur Europäischen Union einnehmen könnte, bezeichnete er als gegenstandlos. Beide Minister erneuerten die Forderung nach vollständiger Transparenz der iranischen Atom-Aktivitäten. „Wir leiden am meisten, wenn sich der Iran nuklear bewaffnet“, sagte Davutoglu.

Davutoglu forderte Deutschland zu energischerem Vorgehen gegen kurdische Terror-Sympathisanten auf. „Wir erwarten aktivere Zusammenarbeit in der Bekämpfung des Terrorismus“, sagte er. Die Türkei fürchtet, dass Deutschland kurdische Terrorunterstützer weniger intensiv bekämpft als etwa Organisationen, die der Hamas nahestehen. Westerwelle verwies auf die rechtsstaatlichen Strukturen der Bundesrepublik, an die es sich strengstens zu halten gelte, sagte aber: „Wir werden keinerlei Organisation akzeptieren, die terroristische Anschläge unterstützt oder Geld zur Unterstützung einwirbt.“

Zugleich betonte der türkische Außenminister, dass es noch „Visumschwierigkeiten“ mit Deutschland gebe. Die Erleichterungen für türkische Staatsbürger müssten „unbedingt ausgeführt werden“, forderte er. Davutoglu kündigte an, Bundesinnenminister Thomas de Maizière werde im Oktober die Türkei besuchen, um die Zusammenarbeit zu intensivieren.

Sehr scharfe Kritik äußerte Davutoglu an Israel, dessen Streitkräfte vor einigen Wochen mehrere türkische Staatsbürger in internatonalen Gewässern getötet hatte, weil ihr Schiff die Gaza-Blockade zu brechen drohte. „Dafür gibt es keine Entschuldigung. Das kann nicht als legitim anerkannt werden“, sagte er.

Die beiden Außenminister setzten überdies den Schlusspunkt unter die Verhandlungen über eine deutsch-türkische Universität in Istanbul. Bundespräsident Christian Wulff soll im Oktober bei einem Türkeibesuch den Grundstein zu dieser Institution legen.