Mindestens 74 Menschen sterben bei Bombenanschlägen während des WM-Finales Shabab-Milizen auf Fußballfans in Uganda.

Hamburg/Kampala. Die Menschen in Ugandas Hauptstadt Kampala waren heiter, gespannt und guter Stimmung - wie wohl überall auf der Welt zu diesem Zeitpunkt. Auf Großbildwänden in der Stadt lief das Endspiel der Fußballweltmeisterschaft zwischen Spanien und den Niederlanden. Kurz bevor der Schiedsrichter zur Halbzeitpause pfiff, zerriss eine gewaltige Explosion die Feierstimmung in einem Rugbyklub. Menschen wurden zerfetzt, Körperteile und Trümmer flogen durch die Luft, Sterbende und Verwundete wälzten sich in ihrem Blut. Wenig später die gleiche Horrorszenerie in einem äthiopischen Restaurant vier Kilometer entfernt. Der Doppelanschlag von Kampala forderte mindestens 74 Todesopfer, viele schwebten gestern noch in Lebensgefahr, vermutlich mehr als 100 Menschen wurden verletzt.

Es gab Hinweise darauf, dass die Bomben unter den Stühlen der Zuschauer versteckt gewesen waren, aber die ugandische Polizei untersuchte gestern auch, ob Selbstmordattentäter die Sprengsätze ausgelöst haben. Unter den Todesopfern soll sich ein Amerikaner befunden haben. Mehrere US-Bürger und ein Deutscher wurden dem Vernehmen nach verletzt.

Der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates in den USA, Mike Hammer, teilte mit, US-Präsident Barack Obama sei "zutiefst betrübt" über die "feigen Angriffe". Außenministerin Hillary Clinton erklärte, Washington werde mit der Regierung in Uganda zusammenarbeiten, um die Täter zur Verantwortung zu ziehen. Ihr deutscher Amtskollege Guido Westerwelle (FDP) sagte in Berlin, Menschen anzugreifen, während sie ein friedliches Sportfest genössen, sei "an Heimtücke kaum zu überbieten". Ugandas Staatschef Yoweri Museveni erklärte, die Drahtzieher der Terrorakte seien "verantwortungslos, rückwärtsgewandt und feige". Auch die somalische und die äthiopische Regierung verurteilen die Anschläge scharf.

Äthiopiens Vize-Außenminister Okello Oryem benannte die Täter, die sich tatsächlich wenig später zu den Anschlägen bekannten: die islamistische somalische Al-Shabab-Miliz. Sie hatte sowohl Uganda als auch Äthiopien und überdies allen Fußballfans der Region mit Anschlägen gedroht.

Die Bewegung al-Shabab - auf Deutsch "die Jugend" oder auch Hizbul Shabab, "Partei der Jugend", genannt - wurde 1998 von dem radikalen Islamisten Hassan Dahir Aweys gegründet. Sie wird heute auf etwa 7000 bis 8000 gut ausgebildete Kämpfer geschätzt und kontrolliert weite Teile Südsomalias. Ihr Zwischenziel ist die Errichtung eines radikalislamischen Gottesstaates am Horn von Afrika - Endziel ist ein Dschihad zur weltweiten Durchsetzung eines rigiden Islam. In ihrem Herrschaftsbereich hat die al-Shabab, die dem weltweiten Terrornetzwerk al-Qaida nahesteht, ein islamistisches Terrorregime errichtet.

Fußball, Kino, Musik und andere Lustbarkeiten sind streng verboten, Männer müssen einen Bart und kurzes Haupthaar haben. Frauen müssen verschleiert sein; ihnen ist zudem verboten, sich allein in der Öffentlichkeit zu bewegen oder einen Beruf auszuüben. Zuwiderhandlungen werden mit öffentlichen Auspeitschungen, Amputationen und Hinrichtungen geahndet. Zu den Todesarten bei Exekutionen zählt auch die Steinigung. Im Jahre 2008 wurde in Kismaayo ein 13-jähriges Mädchen, das brutal vergewaltigt worden war und dies bei der al-Shabab angezeigt hatte, wegen außerehelichen Geschlechtsverkehrs gesteinigt. Al-Shabab hat Uganda mit Terror gedroht, weil die ugandische Armee Friedenstruppen der Afrikanischen Union (Amisom) nach Somalia entsandt hat, um die international anerkannte Regierung von Sheikh Sharif Sheikh Ahmed zu stabilisieren. Gegen diese Regierung, die lediglich Teile der Hauptstadt Mogadischu beherrscht, kämpft die islamistische Miliz seit Jahren. Äthiopien hatte Ende 2006 ebenfalls Truppen nach Somalia geschickt, um die Übergangsregierung gegen islamistische Rebellen zu unterstützen.

Und Fußballfans sind den Al-Shabab-Milizen ein Dorn im Auge, weil sie Sportveranstaltungen für unislamisch halten. In ihrem Herrschaftsbereich sind Fußball-Veranstaltungen bei Todesstrafe untersagt. Allerdings hat die Miliz auch Menschen mit dem Tode bedroht, nur weil sie in Vierteln Mogadischus wohnen, die von der Regierung Somalias kontrolliert werden. 2008 wurde in Kismaayo ein Lokalpolitiker wegen "Abfalls vom Glauben" hingerichtet, weil er pro-äthiopische Kontakte unterhalten hatte.

Als al-Shabab 2008 von der US-Regierung in die Liste der Terrororganisationen aufgenommen wurde, begrüßte die Miliz diesen Schritt der Amerikaner, weil er zeige, "dass wir auf dem richtigen Weg sind".