Nach Angaben der Menschenrechtler von ChinaAid steht der blinde chinesische Dissident Chen unter dem Schutz der US-Botschaft in Peking.

Peking. Chen Guangcheng, der chinesische Dissident, der aus dem Hausarrest in der östlichen Provinz Shandong entflohen war, befindet sich nach Angaben von Menschenrechtlern unter dem Schutz der USA in Chinas Hauptstadt Peking. Dies berichtete am Sonnabend die in Texas ansässige humanitäre Hilfsorganisation ChinaAid unter Berufung auf das Umfeld Chens. Von offizieller Seite gibt es keine Bestätigung, doch hinter den Kulissen sollen ranghohe Vertreter der USA und Chinas über das Schicksal des blinden Bürgerrechtlers verhandeln. Seit Jahren kämpft Chen gegen Zwangsabtreibungen- und sterilisationen. Er befand sich seit der Haftentlassung im September 2010 in seinem Haus in Linyi in der Provinz Shandong unter Hausarrest.

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„Chen steht unter dem Schutz der USA und derzeit laufen auf höchster Ebene Gespräche zwischen chinesischen und amerikanischen Regierungsvertretern über Chens Status“, hieß es in der Erklärung von ChinaAid. Die US-Regierung äußerte sich zunächst nicht zu den Berichten, wonach Chen in die US-Botschaft geflohen ist. „Wir haben in der Vergangenheit unsere Sorgen in dem Fall deutlich gemacht. Ich habe heute nichts Neues“, erklärte Außenministeriumssprecherin Victoria Nuland in Washington.Auch die chinesische Regierung schwieg. Der stellvertretende chinesische Außenminister Cui Tiankai erklärte am Sonnabend auf einer Veranstaltung zu den anstehenden Beratungen mit den USA, er habe keine Informationen zum Fall Chen. Der Fall des blinden Aktivisten könnte zur Belastung für die in der kommenden Woche anstehenden Gespräche von US-Außenministerin Hillary Clinton, Finanzminister Timothy Geithner und anderen US-Regierungsvertretern in Peking werden.

Auch der Pekinger Menschenrechtsanwalt Pu Zhiqiang berichtete unter Berufung auf verlässliche Kontakte, Chen halte sich in der US-Vertretung auf. „Jeder wusste vom Leiden Chen Guangchengs und seiner Familie, aber niemand hat es gewagt, den Mund aufzumachen, und alle haben es ignoriert“, sagte Pu. Der Fall Chen sei typisch für den gesetz- und grenzenlosen Machtmissbrauch in seinem Land. Für die chinesischen Sicherheitsbehörden sei es bereits der zweite peinliche Zwischenfall nach der kurzzeitigen Flucht des früheren Polizeichefs von Chongqing, Wang Lijun, in ein US-Konsulat im Februar. Wangs Flucht hatte zur Entmachtung des Spitzenfunktionärs Bo Xilai beigetragen.

Der Pekinger Dissident Hu Jia, der Chen vor wenigen Tagen in Peking traf, sagte: „Wenn sie ihn schnappen, wird er sich einer beispiellosen Vergeltung ausgesetzt sehen. Daher haben wir schließlich beschlossen, dass es für ihn nur einen sicheren Ort geben kann“, sagte Hu unter Verweis auf die Botschaft. Zuvor habe Chen die Absicht gehabt, zu bleiben und zu kämpfen und nicht Asyl zu beantragen. Kurz nach seinen Äußerungen wurde Hu nach Angaben seiner Ehefrau von Polizisten abgeführt. Auch sie erwarte, noch in Gewahrsam genommen zu werden, sagte Hus Frau. Die USA und andere westlichen Regierungen haben der chinesischen Regierung wiederholt vorgeworfen, Dissidenten, Demonstranten und andere Kritiker der Macht der Kommunistischen Partei einzusperren. China hat die Vorwürfe stets als Einmischung in seine inneren Angelegenheiten bezeichnet.

Bo Fu, der Leiter von ChinaAid, wertet den Fall Chen als Bewährungsprobe für die USA und ihr Image bei der Wahrung von Menschenrechten. „Wegen Chens großer Bekanntheit muss die Obama-Regierung zu ihm stehen oder sie riskiert, ihre Glaubhaftigkeit als Verteidiger der Freiheit und der Rechtsstaatlichkeit zu verlieren“, sagte Bo. Doch der Fall kommt zu einem Zeitpunkt, an dem die USA bei mehreren Themen die Unterstützung Chinas braucht – nicht zuletzt in den Atomkonflikten mit dem Iran und Nordkorea und zur Erhöhung des Drucks auf die Regierung in Syrien. Bilaterale Handelsstreitigkeiten, die Entwicklung der chinesischen Währung und die Beziehungen der USA und Taiwans dürften ebenfalls auf der Agenda der Gespräche mit Clinton am Donnerstag und Freitag stehen.

Mit Material von rtr/dapd