Der Massenmörder schildert den grausamen Ablauf seines Amoklaufs auf der norwegischen Insel Utøya und bezeichnet sich selbst als empathisch.

Oslo. "Breivik", sagt Richterin Wenche Arntzen, "beantworte die Frage." Auch im Gerichtssaal gibt es in Norwegen kein Sie. Gerade verliert sich der Angeklagte wieder in Verschwörungstheorien über die angebliche Macht der Medien, die "kulturkonservative Meinungen" unterdrücken würden; dabei wollte seine Verteidigerin Vibeke Hein Bæra nur wissen, ob er eine empathische Person sei. "Ja", sagt er, "das bin ich." Woran man das merke, fragt sie weiter. "Ich war auf der Beerdigung der besten Freundin meiner Mutter", sagt er. Und meint es offenbar ernst.

Breiviks Antworten ergeben kaum einen Sinn. Er kann unmöglich glauben, dass der Besuch einer Beerdigung angesichts seiner Taten ein Zeichen intakter Fähigkeiten zum Mitgefühl sein könnte. Aber er bezeichnet sich tatsächlich als "mitfühlenden, sich um andere Menschen sorgenden Typ", der kaum eigene Schwächen bei sich oder seiner Psyche sieht.

Der Massenmörder verwahrt sich dagegen, ein Narzisst genannt zu werden, denn der würde nie Opfer bringen. Breivik dagegen fühle "große Liebe für sein Land und sein Volk", größer als die Liebe zu sich selbst. Der Attentäter sieht sich als Wohltäter.

Kann es an diesem fünften Prozesstag noch schlimmer werden? Breivik selbst warnt nach der Mittagspause jedenfalls vor möglicherweise bedrückenden Aussagen. "Wollen Sie das wirklich hören?", fragt er ausgerechnet die Staatsanwältin Inga Bejer Engh, die sich als knallharte Verhör-Expertin bereits einen Namen gemacht hat. "Ich will alles", sagt sie. Da grinst er nur.

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So fahren alle mit ihm im Saal im Geiste nach Utøya, nehmen die Fähre "Thorbjørn" und erfahren, wie er an Bord mit Monica, der "Mutter von Utøya", ein Schwätzchen hält und vom "Chaos in Oslo" berichtet. Wenige Minuten später schießt er ihr zweimal in den Hinterkopf.

Der 33 Jahre alte Breivik hatte während eines Ferienlagers der Sozialdemokraten auf der Fjordinsel im vergangenen Sommer 69 Menschen getötet, viele davon Jugendliche. Den meisten schoss er gezielt und kaltblütig ins Gesicht. Bei einem Bombenanschlag im Osloer Regierungsviertel kurz zuvor riss er acht Menschen in den Tod.

So oft war von den Morden auf der Insel der norwegischen Jusos schon die Rede, so oft vom Leid der Opfer und Hinterbliebenen. Fast ist es so, als müssten die unbeschreiblichen Grausamkeiten wieder und wieder erzählt werden, eine reinigende Prozedur, ein Ritual: als ob die Dämonen dadurch vertrieben werden könnten. Die Anwältin der Hinterbliebenen fragt lieber noch mal nach: Weißt du, dass in ganz Norwegen etwa 1000 Hinterbliebene in 17 Sälen deine Aussage hören? "Ja. Was ich getan habe, war grausam." Kannst du darüber reflektieren? "Ich würde zusammenbrechen, wenn ich meinen Schutzpanzer fallen lassen würde."

Um ihn selbst sei es damals nicht gegangen und würde es heute nicht gehen, sagt Breivik. "Ich fühle, dass es mein Beitrag dazu war, dass unsere Kultur nicht verschwindet", sagt der Angeklagte. "Der 22. Juli handelt nicht von den Angehörigen." Aber du hast geweint, als du deinen eigenen Film gesehen hast, sagt die Anwältin der Hinterbliebenen, "Ich war darauf nicht vorbereitet. Es steht für den Kampf und alles, was ich liebe", sagt Breivik. Dann kannst du Gefühle zeigen? Breivik: "Mein Emotionsregister kann man vergleichen mit einem japanischen Elitesoldaten im Zweiten Weltkrieg. Es handelte sich um einen Angriff auf ein legitimes Ziel."

Breivik kann nicht Breivik sein, das gibt er selbst zu, er als Individuum hätte weder das Motiv noch die Mitleidslosigkeit aufbringen können, die Anschläge auszuüben. Aber als Auftragskiller für die nationale Sache, mit angeblichen oder herbeifantasierten Unterstützern im Rücken, ist das eine andere Sache. Alles soll er erzählen, also.

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Der Erste, den er traf, war der Wachmann Trond Berntsen, ein frührer Polizist. Der verwickelte ihn gleich in ein Gespräch und merkte, dass irgendetwas nicht mit dem angeblichen Kollegen stimmte. "Ich graute mich sehr, war beinah paralysiert. ,Lass uns zum Haupthaus gehen und dort weiterreden', sagte ich. Als Monica und er vorangingen, dachte ich: Jetzt oder nie. Mein ganzer Körper stemmte sich dagegen, 100 Stimmen in meinem Kopf sagten: Tu es nicht, tu es nicht. Aber ich richtete die Pistole auf ihn. Monica schrie, nimm die Pistole herunter. Dann drückte ich ab." Als Nächstes tötete er Monica Bøsei.

Panik brach aus, Menschen liefen durcheinander, Breivik ging weiter, schoss und schoss. Er ging ins Kaffeehaus und tötete "so viele wie möglich". Dann rief er: "Heute werdet ihr sterben, Marxisten!" Dazu hörte er Musik aus dem iPod. Wie angewurzelt seien die Menschen stehen geblieben, sagt er, ganz "anders als im Fernsehen". Ein Junge versuchte, den Amokläufer anzugreifen und rannte mit erhobenen Händen auf Breivik zu. "Ich habe ihn mit meiner einen Hand abgewehrt und mit der anderen erschossen", sagt Breivik so nüchtern, als ginge es hier um die Beweisaufnahme eines Auffahrunfalls.

Auch am kommenden Montag soll er noch einmal befragt werden. Danach will das Gericht Zeugen hören. Das Urteil wird im Juni oder Juli erwartet.

Nach einer Stunde unterbricht Richterin Arntzen die Verhandlung. Viele Hinterbliebene haben den Saal vorzeitig verlassen.