In regimetreuen Medien kursieren Bilder, die zeigen, wie Männer, Frauen und Kinder in Syrien mit Messern massakriert wurden. Die Welt schaut zu.

Damaskus/New York. Die Gewalt in Syrien hat eine neue Dimension erreicht. Fünf Tage nach dem Einmarsch der Armee in die Stadt Homs zeigten regimetreue Medien am Dienstag Bilder von Männern, Frauen und Kindern, die mit Messern massakriert wurden. Der deutsche UN-Botschafter Peter Wittig forderte, in einem UN-Register Informationen über Verbrechen in Syrien zu sammeln. Ein militärisches Eingreifen lehnen aber fast alle Politiker ab.

Die Zivilisten seien von den Deserteuren der sogenannten Freien Syrischen Armee getötet worden, meldete der Staatssender Al-Dunia. Die Gegner von Präsident Baschar al-Assad erklärten dagegen, die Truppen des Regimes hätten den Zivilisten am Donnerstag bei ihrem Versuch, aus Baba Amro zu fliehen, die Kehlen durchgeschnitten. Das jüngste Opfer des Massakers sei ein einjähriges Mädchen namens Fatin.

Die syrischen Staatsmedien berichteten, nach der „Säuberung“ von Baba Amro kehrten nun die ersten Bewohner in das Viertel in der einstigen Oppositionshochburg Homs zurück. Dem Internationalen Roten Kreuz wird der Zugang zu dem Viertel jedoch immer noch verwehrt. Am Mittwoch sollte UN-Nothilfekoordinatorin Valerie Amos in Syrien eintreffen, nachdem sie zuvor tagelang abgewiesen worden war. Diplomaten in New York waren aber skeptisch, ob sich Amos, die zu den höchsten UN-Repräsentanten gehört, frei bewegen kann, um sich ein Bild von der Lage zu machen.

Trotz der tödlichen Gewalt des Regimes gehen die Proteste aber weiter. Die Demonstrationen dauerten im ganzen Land an, sagte der Leiter der politischen Abteilung der Vereinten Nationen, Lynn Pascoe, nach Angaben von Diplomaten im Sicherheitsrat. Allein in den vergangenen drei Tagen seien mehr als 150 Menschen getötet worden.

+++ Obama: Amerika wird nicht militärisch in Syrien eingreifen +++

US-Senator John McCain forderte Luftangriffe auf Syrien. Das sei „der einzig realistische Weg“, um dort das „Gemetzel zu stoppen und unschuldige Leben zu retten“, sagte der einstige Präsidentschaftskandidat im US-Senat. Mit einem militärischen Eingreifen, angeführt von den USA, solle die syrische Opposition unterstützt werden. Für die Opposition müssten im Norden des Landes Rückzugsgebiete geschaffen werden.

Die US-Regierung lehnt bislang ein militärisches Vorgehen ab. Die Gewalt gegen die Zivilisten sei „herzzerreißend und empörend“, sagte Präsident Barack Obama. Die USA arbeiteten eng mit den arabischen Ländern zusammen, um die syrische Bevölkerung zu unterstützen und Machthaber Baschar al-Assad weiter zu isolieren. „Es ist keine Frage, ob Assad stürzt, sondern wann“, sagte der US-Präsident.

Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan forderte das syrische Regime auf, den Weg für humanitäre Hilfe in die umkämpften Gebiete des Landes freizugeben. Er warnte Machthaber Assad vor weiterer Gewalt, für die dieser den Preis später zahlen werde, wie die Agentur Anadolu berichtete. Für das Blutvergießen werde es Vergeltung geben.

Die Spaltung der syrischen Armee schreitet unterdessen weiter voran. In Foren der Protestbewegung wurden am Dienstag Namen und Wohnorte vermeintlicher „Mörder“, „Plünderer“ und „Verräter“ unter den Offizieren veröffentlicht. Gleichzeitig verbreiteten Oppositionelle ein Video, das angeblich alawitische Deserteure zeigt, die sich der aus Fahnenflüchtigen bestehenden Freien Syrischen Armee anschließen. In dem Video, dessen Echtheit nicht überprüft werden konnte, fordert der Anführer der Gruppe die Alawiten in den syrischen Streitkräften zur Fahnenflucht auf.

Präsident Assad, zahlreiche führende Kommandeure der Sicherheitskräfte und die Mitglieder der sogenannten Schabiha-Milizen gehören der Minderheit der Alawiten an. Die Opposition, die zu einem großen Teil aus Angehörigen der sunnitischen Bevölkerungsmehrheit besteht, hatte sich in den ersten Monaten des Aufstandes gegen Assad sehr bemüht, eine Spaltung zwischen den Religionsgruppen zu verhindern. Die Ausweitung der Gewalt hat jedoch nach Einschätzung von Beobachtern zu einer Radikalisierung auf beiden Seiten geführt.

Die Protestbewegung meldete unterdessen, die Armee habe eine Brücke nahe der libanesischen Grenze gesprengt, über die Aktivisten zuletzt Verletzte ins Nachbarland gebracht hätten. Am Dienstag seien landesweit mindestens zehn Menschen getötet worden. Gefechte zwischen Deserteuren und Regierungstruppen habe es in der Nähe des Flughafens von Aleppo gegeben.

Berlins UN-Botschafter Wittig forderte unterdessen eine Untersuchungskommission mit einem Mandat des Sicherheitsrates. Jeder zukünftige politische Prozess in Syrien werde ein Mindestmaß an Aufklärung und Aufarbeitung brauchen, dafür sollte der Sicherheitsrat früh die Grundlage legen. So könnten Fakten und Verantwortlichkeiten für etwaige Verbrechen gegen die Menschlichkeit aufgeklärt und dokumentiert werden. Er warf dem syrischen Regime vor, für eine „Friedhofsruhe“ sorgen zu wollen. (dpa/abendblatt.de)