Versöhnliche Signale? Vor den Präsidentschaftswahlen am Sonntag in Russland kündigt Wladimir Putin einen Dialog mit Demonstranten an.

Moskau. Sergej Romantschuk hat eine steile Karriere hingelegt: Mit 37 Jahren leitet er die Devisenabteilung einer großen Bank in Moskau und fährt einen Jaguar. Erfolg und Wohlstand hat er dem hohen Preis für Russlands Exportschlager Öl, aber auch der Wirtschaftspolitik von Wladimir Putin zu verdanken. Inzwischen hat Romantschuk aber die Nase voll von Putin, der seit 1999 entweder Präsident oder Ministerpräsident war und am Sonntag wohl erneut zum Staatschef gewählt wird. Deswegen macht der Banker bei den Demonstrationen gegen die russische Führung mit, der bei der Duma-Wahl im Dezember Betrug im großen Stil vorgeworfen wird. "Das Ausmaß der Wahlfälschungen lässt keinen Raum für Kompromisse", findet Romantschuk.

So wie er denken viele Vertreter der neuen Mittelschicht, die sich nach dem Ende der Sowjetunion 1991 herausgebildet hat und sich nur noch wenig vom Bürgertum in Westeuropa unterscheidet. Sie macht Experten zufolge derzeit rund 25 bis 30 Prozent der Bevölkerung aus - Tendenz steigend.

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Kurz vor der Wahl sendet Putin nun versöhnliche Signale an seine Gegner. Im Gespräch mit ausländischen Journalisten versicherte Putin nach Regierungsangaben, dass er nach einem Wahlsieg nicht härter gegen die Protestbewegung vorgehen werde. "Alle unsere Vorschläge zielen darauf ab, einen Dialog mit allen in Gang zu setzen - mit denen, die uns unterstützen, und denen, die uns kritisieren", wurde er auf der Internetseite der Regierung zitiert.

Schon nach der Parlamentswahl im Dezember sind in landesweiten Protesten wiederholt Zehntausende Menschen auf die Straßen gegangen, um ihrem Ärger über mutmaßliche Fälschungen bei der Duma-Wahl und über Putins erneute Präsidentenkandidatur Luft zu machen. Unter den Demonstranten wurden Befürchtungen laut, Putin werde nach einem Wahlsieg seinen Kurs gegen die Opposition verschärfen.

Derzeit ist Putin noch russischer Ministerpräsident. Doch an seinen Sieg bei der Wahl zweifelt er nicht. Ihn unterstütze die Mehrheit der Russen, wenn auch die Unterstützung in Moskau und anderen großen Städten etwas geringer sei, sagte der Kandidat am Freitag. Ja, es gebe in den Großstädten wenige Anhänger, aber sie seien immer noch eine Mehrheit, sagte Putin. In Umfragen liegt Putin bei 60 Prozent.

Die größten Proteste in Russland seit dem Ende der Sowjetunion vor 20 Jahren nach der Parlamentswahl bezeichnete er als "gute Erfahrung für Russland". Sie hätten die Notwendigkeit betont, Lösungen zu suchen und mit der Gesellschaft zu kommunizieren, sagte Putin. Er war von 2000 bis 2008 Präsident. Eine direkte dritte Amtszeit verwehrte ihm die Verfassung. Er wechselte ins Amt des Ministerpräsidenten und überließ seinem Gefolgsmann Dmitri Medwedew das Präsidentenamt - als Überbrückung, wie viele Analysten erklärten.