Frankreichs sozialistischer Präsidentschaftskandidat plant einen Spitzensteuersatz von 75 Prozent für die vermögenden Franzosen.

Hamburg. Einst galt er als Langweiler, dem man unter Hinweis auf seine zur Fülligkeit neigende Leibesmitte den Spottnamen "Flamby" verpasste - so heißt ein in Frankreich gern genossener Karamell-Wackelpudding. Der vor allem mit der langjährigen, bis 2007 dauernden Beziehung zur attraktiven Politikerin und Präsidentschaftskandidatin des Jahres 2007, Ségolène Royal, von sich reden machte. Doch inzwischen ist François Hollande fast ganz oben angekommen - der Kandidat der Sozialistischen Partei (PS) für die Präsidentschaftswahlen im April und Mai führt in Umfragen vor Amtsinhaber Nicolas Sarkozy und hat durchaus Chancen, ihm im Élysée-Palast abzulösen.

Hollande war frühzeitig auf die Kapitalismus-Kritik im Zuge der weltweiten Finanzkrise aufgesprungen, hatte gefordert, Steuerschlupflöcher für Reiche zu stopfen und Einkommen von mehr als 150 000 Euro mit einem Steuersatz von 45 Prozent zu belegen. In der Nacht zum Dienstag setzte der Sozialist noch kräftig einen drauf und schlug im Fernsehsender TF1 unter Hinweis auf die enormen Vergütungen von Managern einen Spitzensteuersatz von 75 Prozent auf Einkommen über einer Million Euro vor. Ferner will er als Präsident höhere Kapitalertragssteuern einführen und die von Sarkozy eingeführten Steuererleichterungen zurücknehmen. Das sei ein "Akt von Patriotismus und als Zusatzbelastung durchaus zu akzeptieren", meinte Hollande. Das ganze System solle "fairer" werden. Dazu gehörten auch harte Auflagen für die Finanzwelt mit zusätzlicher Besteuerung von Gewinnen, dem Verbot "toxischer" Anlagen und Ähnlichem.

In der Wählergunst liegt Hollande deutlich vor Amtsinhaber "Sarko", der sich erst vor zwei Wochen dazu durchgerungen hatte, seine Kandidatur bekannt zu geben. Nach einer neuen Umfrage führt der Sozialist mit 58 Prozent der möglichen Stimmen vor dem Präsidenten, der auf 42 Prozent käme. Sarkozy weist die niedrigsten Zustimmungswerte aller französischen Präsidenten vor ihm auf, hat aber in jüngster Zeit ein paar Prozente aufgeholt. Das liegt wohl auch daran, dass Frankreichs Wirtschaft im letzten Quartal 2011 um 0,2 Prozent wuchs, während das große Vorbild Deutschland leicht schrumpfte. Überhaupt Deutschland: Viele Franzosen nehmen es Sarkozy übel, dass er so unverhohlen Bewunderung für den erfolgreichen Nachbarn und seine Kanzlerin äußerte und ankündigte, Deutschland nacheifern zu wollen. Angela Merkel trat gar an seiner Seite im französischen Wahlkampf auf; folgerichtig nannte CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe Hollandes Pläne auch "verstaubte Konzepte und linke Umverteilungsfantasien". Dessen 20 Milliarden Euro teures Programm für 60 000 zusätzliche Lehrer und zum Abbau der hohen Jugendarbeitslosigkeit sollen Besserverdienende bezahlen. Allerdings geht er dabei optimistisch von einem kräftigen Wirtschaftswachstum in den kommenden Jahren aus.

Frankreich, von Milliardenschulden, einem riesigen Haushaltsdefizit und hoher Arbeitslosigkeit geplagt, polarisiert sich im Wahlkampf. Zwar wandte sich auch Sarkozy gegen allzu üppige Vorstandsgehälter und schlug vor, Geringverdiener ganz von der Einkommenssteuer zu befreien. Er tat sogar öffentlich Buße für den Urlaub auf der Yacht eines reichen Unternehmerfreundes und einen sündteuren Besuch im Nobelrestaurant Fouquet's auf den Champs-Élysées, wo schon ein schlichter Kaffee acht Euro kostet. Dabei geriet er allerdings vor laufenden Kameras ins Stottern - ein Fest für seinen Rivalen Hollande, der genüsslich über den "Schuljungen" lästerte.

Doch ansonsten rückte Sarkozy mit seinem Programm ebenso entschieden nach rechts wie Hollande nach links. So sprach sich der konservative Präsident gegen Homo-Ehen aus, ebenso gegen Adoptionen bei gleichgeschlechtlichen Paaren und gegen das kommunale Wahlrecht für Nicht-EU-Ausländer.

Die Wochenzeitung "L'Express" hatte kürzlich das Privatvermögen der beiden Kandidaten untersucht und herausgefunden, dass Sarkozy Immobilien im Werte von 2,3 Millionen Euro besitzt und der Sozialist Hollande immerhin im Wert von fast 1,2 Millionen.

In den Umfragen liegt die Kandidatin der rechtsextremen Front National (FN), Marine Le Pen, an dritter Stelle. Die FN hatte bei Wahlen der vergangenen Jahrzehnte regelmäßig zwischen fünf und 15 Prozent der Wählerstimmen erzielt. Doch noch fehlen Le Pen Dutzende an den 500 Unterschriften von Mandatsträgern, die jeder Kandidat dem Gesetz nach vorlegen muss. Bekommt sie diese nicht rechtzeitig zusammen, ist sie aus dem Rennen.

Hollande, ohnehin nie um polternde Töne verlegen, hat die ansehnliche, aber politisch äußerst rechte Tochter des umstrittenen FN-Mitbegründers und langjährigen Parteichefs Jean-Marie Le Pen als "halb demente Faschistin" etikettiert.

Die französischen Präsidentschaftswahlen beginnen am 22. April mit dem ersten Wahlgang. Eine Stichwahl der beiden führenden Kandidaten ist für den 6. Mai angesetzt.