Auf der Sicherheitskonferenz suchen Spitzenvertreter aus Politik, Militär, Wirtschaft und Gesellschaft auch Lösungen für Syrien.

Berlin. Deutschland soll kein "Problembär" sein. Also nicht der Kandidat, der ewig Schwierigkeiten macht. Nicht das Land, mit dem die anderen auf dieser Welt zu hadern haben. Das ist Wolfgang Ischinger wichtig. Das muss er klarstellen. Ischinger ist ehemaliger Spitzendiplomat und Vorsitzender der 48. Münchner Sicherheitskonferenz - einem großen Treffen von Spitzenleuten aus Politik, Militär, Wirtschaft und Gesellschaft. Von Freitag bis Sonntag werden 350 Teilnehmer aus 60 Staaten erwartet. Etwa US-Außenministerin Hillary Clinton ist mit dabei, Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen, Weltbank-Chef Robert Zoellick. Und natürlich auch der deutsche Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU), der die Konferenz persönlich eröffnet. Ein Who's who der Sicherheitspolitik also, und das, obwohl es sich um eine inoffizielle Veranstaltung handelt, auf der keinerlei Beschlüsse getroffen werden. Eines der wichtigsten Themen, darauf spielt Ischingers "Problembär" an, ist nichts Geringeres als eine Standortbestimmung Deutschlands. Ein Überblick über die großen Fragen der Konferenz:

Die Rolle Deutschlands und Europas

Wo steht die Bundesrepublik in der Sicherheitsarchitektur des 21. Jahrhunderts? Für Ischinger ist zumindest klar, dass Deutschland "ein handlungsfähiger Partner" sein muss. Für Irritationen hatte im vergangenen Jahr die Enthaltung von Außenminister Guido Westerwelle (FDP) im Uno-Sicherheitsrat zu einem militärisches Eingreifen im Libyen-Konflikt geführt. Für die Bundesregierung werde sich deshalb "die Frage stellen, wie wir uns unsere Rolle bei künftigen sicherheitspolitischen Herausforderungen, bei künftigen Uno-Mandaten wie im Fall Libyen, vorstellen", so Ischinger in der ARD.

De Maizière hat in seiner Eröffnungsrede am Freitagnachmittag vor allem die wachsende strategische Bedeutung Europas betont. Man müsse die europäische Stimme in der Nato stärken, und die Streitkräfte müssten leistungsfähiger werden, mahnte er. "Wir müssen mehr können und wir müssen mehr gemeinsam können."

+++ de Maizière: Aussetzung der Wehrpflicht war überstürzt +++

Pulverfass Schuldenkrise

Wenn das nur so einfach wäre. Die Euro-Krise belastet nicht nur Haushalte, sie hat auch direkte Folgen für die Sicherheitspolitik. "Die Schuldenkrise wird Europa im Vergleich zu anderen Weltmächten schwächen", sagt etwa Wolfgang Zellner, stellvertretender Direktor des Hamburger Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik. "Unsere Fähigkeit, in anderen Regionen mit anderen Mächten zu konkurrieren, ist dadurch eingeschränkt." Etwa die Rüstungsausgaben würden in ihrer bisherigen Höhe nicht mehr möglich sein, betont Zellner. Die große Frage ist also, wie Europa seine Sicherheit künftig bezahlen will. Auch durch eine folgenschwere Richtungsänderung der USA wird sie virulenter denn je.

Der Strategiewechsel der USA

Hillary Clinton nannte es vor Kurzem eine "strategische Umorientierung": Die US-Regierung will die Zahl ihrer Bodentruppen in Europa deutlich reduzieren und sich dafür auf den asiatisch-pazifischen Raum konzentrieren. Tausende Soldaten könnten abgezogen werden, Amerika will sein Verteidigungsbudget um 450 Milliarden Dollar schrumpfen. Auch der Truppenabzug aus Afghanistan soll beschleunigt werden. Die Nato will den Einsatz eigentlich erst Ende 2014 beenden, US-Verteidigungsminister Leon Panetta brachte 2013 als Termin ins Gespräch.

+++ Leitartikel: Lernt von Europa! +++

Für Zellner ist das keine Überraschung: "Wir beobachten seit vielen Jahren, dass sich die USA immer mehr auf Asien ausrichten. Dort werden jetzt die Konfliktlinien verlaufen, dort spielt sozusagen die weltpolitische Musik." Die Europäer müssten sich jetzt darauf einstellen, dass sie sich mehr als zuvor selbst um ihre Probleme kümmern müssen. "Wir können uns nicht mehr nur auf die USA verlassen." Unter anderem in München muss man auf diese Herausforderung eine Antwort finden.

Das iranische Atomprogramm

Das allerdings wird in diesem Jahr ohne die iranische Delegation geschehen. Es ist sicher kein Zufall, dass Teheran anders als zu manchen Sicherheitskonferenzen der Vorjahre dieses Mal niemanden nach München geschickt hat. Denn der sich immer mehr hochschaukelnde Konflikt um das Atomprogramm des Landes wird auch von Sicherheitsexperten als immer dramatischer eingestuft. Zwar streitet das Regime vehement ab, am Bau der Atombombe zu arbeiten, trotzdem schließt vor allem Israel, das sich besonders bedroht sieht, einen Militäreinsatz nicht aus.

Experte Zellner geht davon aus, dass es die Iraner auf eine Atombombe abgesehen haben: "Hinter dem Taktieren des Iran lässt sich der feste Wille erkennen, eine Atombombe zu bekommen. Ich rechne damit, dass dies dem Land auch gelingen wird." Vor einem Krieg warnt er vehement. Dies würde nicht nur die Region destabilisieren, auch die wirtschaftlichen Folgen wären enorm. "Der Ölpreis würde dann durch die Decke schießen - was wir nicht nur hier in Europa spüren würden, sondern was dann vor allem die ärmsten Länder trifft." Auch Außenminister Westerwelle setzt auf Sanktionen: Er werde sich auf internationaler Ebene um die Beteiligung weiterer Staaten bemühen, sagte er kurz vor Beginn der Konferenz. "Das ist der Weg, den wir gehen."

+++ Kein Vakuum in Afghanistan hinterlassen +++

Streit um Raketenabwehr

Sanktionen sind die eine Sache, konkrete Schutzmaßnahmen die andere. Heftig umstritten ist der von der Nato geplante Raketenabwehrschild in Europa, der vor Angriffen etwa aus dem Iran schützen soll. Doch Russland fühlt sich bedroht: "Nach dem heutigen Stand soll das Raketenabwehrsystem ohne Frage das Atomwaffenpotenzial Russlands neutralisieren", wetterte der russische Ministerpräsident Wladimir Putin. De Maizière zeigte sich in seiner Eröffnungsrede trotzdem zuversichtlich, dass Moskau bis zum Nato-Gipfel im Mai mit ins Boot geholt werden kann.

Aufruhr in der arabischen Welt

Auch der Umbruch in der arabischen Welt steht auf dem Plan der Konferenz. Durch die Ausschreitungen in Ägypten ist dieser Tagesordnungspunkt aktueller denn je. Wichtige Gespräche sind auch zu Syrien geplant. Die Gewalt hält dort seit elf Monaten an. Eine Resolution der Uno steht bevor, scheitert aber am Veto aus Moskau. Die Hoffnungen ruhen auf einem Treffen zwischen dem russischen Außenminister Sergej Lawrow und US-Außenministerin Clinton. Groß sind sie allerdings nicht: Am Freitag lehnten die Russen auch einen neuen Resolutionsentwurf ab.