Auch die Bundeswehr wird ihre Truppenzahl schon früher als geplant stark reduzieren. Afghanen wollen Polizeiausbildung beschleunigen.

Hamburg. Als der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy vor einer Woche überraschend verkündete, Frankreich werde seine Kampftruppen bereits Ende 2013 abziehen - als Konsequenz aus einem blutigen Anschlag mit vier französischen Toten -, hatte es in Washington noch Gemurre gegeben. Denn die Nato hatte ihren Abzug eigentlich erst für Ende 2014 vorgesehen. Nun aber erklärte auch der amerikanische Verteidigungsminister Leon Panetta, er wolle schon "in der Mitte der zweiten Jahreshälfte 2013" die Rolle der kämpfenden Truppe an die Afghanen abgeben. Danach sollen nur noch Ausbildungseinheiten der Amerikaner am Hindukusch bleiben.

Wie Sarkozy steht auch US-Präsident Barack Obama vor Präsidentschaftswahlen; von einem rascheren Ende der teuren und verlustreichen Militäreinsätze versprechen sich beide Auftrieb bei ihren Wählern.

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Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen sagte daraufhin in Brüssel zu Beginn eines Treffens der Nato-Verteidigungsminister, zwar werde sich die Allianz ab Mitte 2013 schrittweise von den Kampfeinsätzen in Afghanistan zurückziehen, die Übergabe der Sicherheitsverantwortung an die afghanische Armee und Polizei soll aber erst bis Ende 2014 erfolgen. Von Mitte 2013 an werde sich aber "die Rolle unserer Soldaten schrittweise vom Kampfeinsatz zur Unterstützung wandeln", sagte Rasmussen. Das sei nichts Neues.

Offenbar aber doch für die afghanische Regierung. "Die Entscheidung, dies ein Jahr vorzuziehen, wirft die gesamten Planungen für die Übergangsphase über den Haufen", hieß es in Kabul. Alle Vorbereitungen müssten nun drastisch beschleunigt werden. Die afghanische Regierung sei über die amerikanische Entscheidung nicht vorab informiert worden. "Wenn sich die USA aus den Kämpfen zurückziehen, wird das sicher Konsequenzen für unsere Bereitschaft, Ausbildung und die Ausrüstung der Polizei haben", hieß es in afghanischen Regierungskreisen.

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Bis Ende dieses Jahres sollen 352 000 Soldaten und Polizisten in Afghanistan einsatzbereit sein, später soll diese Zahl auf 400 000 steigen. Noch sind rund 130 000 Soldaten der Internationalen Schutztruppe in Afghanistan (Isaf), darunter 95 000 Amerikaner und 4800 Deutsche. Und die Fähigkeit und Motivation der korruptionsanfälligen afghanischen Sicherheitskräfte gelten als bedenklich niedrig.

Die Bundeswehr wird nun ebenfalls schon vorzeitig schrittweise vom Hindukusch abgezogen, wie Verteidigungsminister Thomas de Mazière (CDU) in Brüssel sagte. Aber auch er betonte, dass das Einsatzmandat der Isaf erst 2014 ende. Zwar seien auch die Deutschen von der US-Entscheidung betroffen, aber bis Ende 2014 "brauchen wir eine angemessene Truppenstärke auch deutscher Soldaten, um die Übergabe in Verantwortung und den Abzug seriös zu organisieren", sagte de Mazière. Schrittweise würden die Soldaten der truppenstellenden Nationen vom Fahrersitz auf den Beifahrersitz wechseln.