Vier Marineinfanteristen der US-Armee urinieren auf afghanische Leichen. Pentagon-Sprecher: Aufnahmen haben “mir den Magen umgedreht“.

Berlin. Die Qualität ist schlecht, und das Ganze dauert nur 39 Sekunden. Was die wackligen Videobilder aus Afghanistan preisgeben, ist allerdings hochbrisant. Vier US-Soldaten sind darauf zu sehen, die einen Halbkreis um drei tote Afghanen bilden. Die Männer am Boden sind vermutlich gerade erst gestorben, die Kleidung eines der Toten ist blutdurchtränkt. Sobald das Bild scharf gestellt ist, lässt sich gut erkennen, dass die vier US Marines ihren Hosenschlitz geöffnet haben und auf ihre Opfer urinieren. Während sich der strahlend blaue Shalwar Kamiz, das traditionelle Gewand der Afghanen, eines der Opfer dunkelblau verfärbt, stößt einer der Soldaten ein zufriedenes "Yeah" aus. "Have a great day, buddy" - einen schönen Tag dir noch, Kumpel -, schickt der Soldat hinterher. Die anderen Marines quittieren den Wunsch mit einem lauten, kehligen Lachen. Von einer "goldenen Dusche" ist noch die Rede, bevor das Video abrupt abbricht.

Die Aufnahme der Leichenschändung ist am Mittwochmorgen im Netz aufgetaucht. Und der Mitschnitt war offenbar kein Versehen - einer der Marines erkundigt sich während des Verrichtens seiner Notdurft, ob die Kamera auch läuft. Wer das Video gedreht hat und anschließend ins Internet stellte, ist noch unklar. Mittlerweile aber sind zwei der vier Soldaten, die darin zu sehen sind, identifiziert worden. Bei ihnen handle es sich um zwei Männer, die auf der Militärbasis Camp Lejeune im US-Staat North Carolina stationiert seien, sagte ein Vertreter der US-Marine-Infanterie.

Das Marine-Infanteriekorps erklärte, die in dem Video gezeigten Handlungen seien nicht vereinbar mit den Werten der Truppe. Aus dem Verteidigungsministerium verlautete, es würden Ermittlungen eingeleitet. Pentagon-Sprecher John Kirby sagte, die Aufnahmen hätten ihm "den Magen umgedreht". Egal, unter welchen Umständen das Video entstanden sei und wer die Beteiligten seien, es handle sich um ein "abstoßendes, monströses und inakzeptables Verhalten für jede Person in Uniform".

Die Aufnahmen schrecken indes nicht nur das US-Militär auf. So forderte der afghanische Präsident Hamid Karsai die USA unmissverständlich dazu auf, die Täter so schwer wie möglich zu bestrafen. "Die afghanische Regierung ist zutiefst verstört über ein Video, das zeigt, wie amerikanische Soldaten die Leichen von drei Afghanen entehren", teilte der Präsidentenpalast mit. Auch der Rat für Islamisch-Amerikanische Beziehungen, eine muslimische Bürgerrechtsorganisation, verurteilte den Vorfall und sprach von einem Verstoß gegen das internationale Kriegsrecht. Das dargestellte Verhalten "gefährdet das Leben anderer Soldaten und Zivilpersonen", heißt es in einem Schreiben des Rats an US-Verteidigungsminister Leon Panetta.

+++ Leitartikel: Ekelhafte Schändung +++

Es steht zu befürchten, dass das Video die Bemühungen um eine Friedenslösung am Hindukusch behindern könnte. Schon spricht Arsala Rahmani, ein Vertreter des Hohen Friedensrates in Afghanistan, von Schützenhilfe für die Taliban. Derartige Aufnahmen würden es den Radikalen leicht machen, junge Menschen für sich zu gewinnen. Entsprechend groß war die Empörung der Taliban. "Das ist eine unmenschliche, unmoralische und brutale Tat der Invasoren", sagte Taliban-Sprecher Sabiullah Mudschahid in Kabul. Der Vorfall werde dazu beitragen, "dass die Amerikaner und ihre Alliierten ein kurzes Leben in Afghanistan haben".

Die nun öffentlich gewordenen Bilder rufen Erinnerungen an Vorgänge aus der Vergangenheit wach, die dem Ruf des US-Militärs in der Region schweren Schaden zugefügt haben. Prominentes Beispiel dafür sind die Misshandlungen und Erniedrigungen von Gefangenen im US-Militärgefängnis Abu Ghraib. Bereits im Jahr 2004 waren Bilder aus der Haftanstalt auf irakischem Boden aufgetaucht, die schwere Foltervorwürfe gegen US-Militärpersonal erhoben. Berühmt wurde eine Aufnahme der amerikanischen Soldatin Lynndie England, die einen nackten Gefangenen an einer Hundeleine über die Flure führte. Die Bilder belegten außerdem die Folterung der Insassen durch Elektroschocks sowie in einem Fall sogar sexuellen Missbrauch.

Die beteiligten US-Soldaten mussten sich vor Gericht verantworten und erhielten Haftstrafen von bis zu zehn Jahren. Der damalige US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld wurde vor einen Ausschuss des US-Kongresses zitiert. Das Pentagon führte Kontrollmechanismen ein, die zukünftige Verfehlungen vermeiden helfen sollten. Die Wirkung der Regulierungen war bereits zum Zeitpunkt ihres Erlasses umstritten. Und die Geschichte gibt den Kritikern recht. So wurden erst 2011 wieder US-Soldaten verurteilt, die Fingerknochen und andere Teile afghanischer Leichen als Trophäen an sich genommen hatten. Auch Bundeswehrsoldaten posierten mit Schädelknochen.