US-Soldaten urinieren auf gefallene Taliban und bringen die USA in Misskredit

Dass der Krieg geeignet ist, die dunkelsten Seiten der menschlichen Natur hervorzukehren, ist keine sonderlich neue Erkenntnis. Die Zehntausende Jahre alte Geschichte unserer Spezies ist, soweit dokumentiert, über weite Strecken eine Abfolge von Gräueltaten. Unter bestimmten Umständen - wie eben im Krieg - reißt auch heute noch beunruhigend schnell der durch Bildung und Aufklärung verdichtete zivilisatorische Firnis.

Dass US-Elitesoldaten unter zynischen Sprüchen auf die blutigen Leichen ihrer getöteten Feinde urinieren, ist widerwärtig und nicht zu entschuldigen. Man kann allenfalls den verzweifelten Versuch einer Erklärung wagen. Diese jungen Männer, mutmaßlich allesamt keine Leuchten, stehen unter dem mörderischen Druck einer allgegenwärtigen Todesgefahr, den sich ein Normalbürger nicht einmal ansatzweise vorstellen kann.

Mehr als tausend ihrer Kameraden sind auf den Killing Fields des Hindukusch bereits durch Sprengfallen und Hinterhalte erbarmungsloser Taliban-Krieger ums Leben gekommen. Gelingt es Soldaten, den Feind zu überwältigen, so kann es wohl dazu kommen, dass sich aufgestaute Emotionen in einer letzten, barbarischen Geste des Sieges entladen. Die Kriegsgeschichte kennt zahllose Beispiele der Schändungen von gefallenen Gegnern - was die aktuellen Vorfälle nicht akzeptabler macht.

Amerikas Militär, dessen Renommee ohnehin schwer belastet ist mit diversen Folter- und Massaker-Prozessen, den verstörenden Vorgängen in Abu Ghraib und Guantánamo sowie zivilen Opfern der Drohnen-Angriffe in Pakistan, kann sich ein derart ekelhaftes und menschenverachtendes Verhalten seines Militärs nicht leisten.

Die USA, die viel zu lange an befreundeten arabischen Despoten wie dem ägyptischen Pharao Mubarak festhielten und denen es einfach nicht gelingen will, den hartleibigen Verbündeten Israel zu ernsthaften Zugeständnissen zu bewegen, haben derzeit ohnehin einen schweren Stand in der islamischen Welt. Die auf YouTube vorgeführte Schändung toter Muslime ist durchaus geeignet, den weit verbreiteten Hass auf die USA weiter anzufachen. Das ist tragisch - stehen die Vereinigten Staaten doch schließlich für eine demokratische, pluralistische Gesellschaft, von der weite Teile der islamischen Welt bislang nur träumen können.

Die vergleichsweise zurückhaltende Reaktion der Taliban hat den Hintergrund, dass sie gegenwärtig zumindest erwägen, Friedensgespräche mit den USA aufzunehmen. Die Gotteskrieger sind vor allem durch den schlagkräftigen Einsatz amerikanischer Spezialeinheiten militärisch geschwächt und können am Verhandlungstisch nur gewinnen.

Den USA wiederum geht es darum, aus diesem kräftezehrenden Konflikt ohne weiteren Gesichts- und Blutverlust zügig herauszukommen.

Das unerträgliche Verhalten einiger Schwachköpfe in Uniform gefährdet nicht nur diese Pläne, sondern auch das Leben anderer amerikanischer Soldaten. Denn die Taliban könnten sich bemüßigt fühlen, im Namen der geschändeten Muslime werbewirksam Rache zu üben.

Barack Obama, der sich stets um Ausgleich mit der islamischen Welt bemüht hat, dürfte vor Wut kochen. Seine Regierung steht unversehens ein weiteres Mal am Pranger und steht nun vor der Aufgabe, sehr schnell und sehr überzeugend deutlich zu machen, dass dieser Skandal in unerträglicher Weise auch die kulturellen Werte Amerikas verletzt.