Jetzt kommt es auf den belgischen König Albert II. an. Wen beauftragt er mit der Regierungsbildung? Der Koalitionspoker beginnt heute.

Brüssel. Nach dem Sieg der flämischen Nationalisten bei den Parlamentswahlen steht Belgien vor einer schwierigen Regierungsbildung. Nationalisten-Chef Bart De Wever will am Montag erste Gespräche mit möglichen Koalitionspartnern führen. An erster Stelle stehen die französischsprachigen Sozialisten, die im Süden das Landes zur stärksten Kraft wurden. Der 39-Jährige hatte sich zum Wahlsieger erklärt, aber nichts zu möglichen Koalitionen gesagt.

Eine Schlüsselrolle wird dem belgischen König Albert II. zukommen. Der Monarch kann Spitzenpolitiker mit der Bildung einer Regierung beauftragen. Der Weg zu einer neuen Regierung wird äußerst kompliziert werden, da die N-VA offen für einen selbstständigen Staat Flandern und damit letztlich für eine Spaltung Belgiens eintritt.

Zudem vertritt die N-VA in punkto Staatsreform eine vollkommen andere Auffassung als die französischsprachigen Sozialisten, die den föderalen Staat stärken wollen.

Der Koalitionspoker könnte Wochen oder gar Monate dauern. Es wird nicht damit gerechnet, dass Belgien vor dem Start seiner EU- Ratspräsidentschaft am 1. Juli eine neue Regierung hat. Der bisherige Premierminister Yves Leterme führt zunächst die Amtsgeschäfte weiter. Seine Regierung war im April am Sprachenstreit zerbrochen.

Bei den Parlamentswahlen hatten die flämischen Nationalisten der N-VA einen Erdrutschsieg erzielt. Sie wurden im ganzen Land zur stärksten Kraft und stellen mit 27 Sitzen rund ein Fünftel der 150 Abgeordneten im neuen Parlament. In Flandern errangen sie mit mehr als 30 Prozent vor den Christdemokraten die meisten Stimmen. Im Süden war die Partei nicht angetreten und hat dort auch keine Schwesterpartei.

In der französischsprachigen Wallonie lagen die Sozialisten vorn. Ihr Vorsitzender, Elio Di Rupo, ist einer der möglichen Kandidaten für den Posten des Premiers. Die anderen Parteien der vorherigen Koalition – etwa die französischsprachigen Liberalen und die flämischen Christdemokraten – wurden dagegen von den Wählern abgestraft.

Der Chef der unterlegenen flämischen Liberalen Alexander De Croo sprach von einem „beispiellosen Erdbeben in der Geschichte des Landes“. Die Chefin der flämischen Christdemokraten (CD&V), Marianne Thyssen, galt zuvor als aussichtsreiche Kandidatin für die Nachfolge des gescheiterten Premiers Leterme. Am Sonntag räumte sie ihre Niederlage ein.