Die Vereinten Nationen finden eine Stichwahl mit nur einem Kandidaten merkwürdig. Ban soll Präsident Hamid Karsai ins Gewissen reden.

Kabul. Jetzt greifen die Vereinten Nationen in den Streit um Wahlbetrug und die Stichwahl in Afghanistan ein. Nach dem Rückzug von Ex-Außenminister Abdullah Abdullah ist Uno-Generalsekretär Ban Ki-moon zu einem nicht angekündigten Besuch in Kabul eingetroffen. Ban wolle mit Präsident Hamid Karsai zusammenkommen, sagte Uno-Sprecher Aleem Siddique. Am Nachmittag wolle er Abdullah treffen. Nach Abdullahs Rückzug hatte Karsai angekündigt, als einziger Kandidat bei der Stichwahl am kommenden Sonnabend anzutreten.

Abdullah hatte kurz zuvor unter Verweis auf erneut drohende Manipulationen bei der zweiten Runde der Präsidentenwahl seinen Boykott angekündigt. Die erste Runde im August war von massivem Betrug überschattet worden. Ubo-Sprecher Siddique sagte, Ban wolle bei seinem Besuch auch mit Uno-Mitarbeitern zusammentreffen, um ihnen seine Solidarität zu zeigen. Am vergangenen Mittwoch waren bei einem Angriff der Taliban auf ein Uno-Gästehaus in Kabul fünf ausländische Mitarbeiter der Vereinten Nationen getötet worden. Die Taliban hatten den Angriff als den Beginn ihrer Operation gegen die Stichwahl bezeichnet.

Die Mitglieder der umstrittenen Wahlkommission (IEC) wollten am Montag in Kabul zusammenkommen, um über das das weitere Vorgehen zu beraten. Abdullah hatte vor seinem Rückzug am Sonntag erfolglos gefordert, Karsai müssen den Chef der IEC austauschen. Am Sonntagabend hatte IEC-Sprecher Nur Mohammad Nur gesagt, die Kommission gehe weiter von einer Stichwahl aus.

Ein westlicher Diplomat, der ungenannt bleiben wollte, sagte aber, die internationale Gemeinschaft sei nach Abdullahs Rückzug gegen eine Stichwahl. Er betonte, es wäre „lächerlich“, für eine Wahl mit klarem Ausgang Geld auszugeben und Leben zu riskieren. Die Taliban hatten bereits die erste Wahlrunde am 20. August massiv mit Anschlägen und Angriffen gestört.

Abdullah befürchtete bei der Stichwahl eine Wiederholung der Manipulationen, zu denen es bei der ersten Runde gekommen war und von denen vor allem Karsai profitiert hatte. Dem Herausforderer waren bei der Stichwahl wenig Chancen eingeräumt worden. Nach dem um gefälschte Stimmen bereinigten Endergebnis der August-Wahl hatte der Ex-Außenminister in der ersten Runde fast 20 Prozentpunkte hinter Karsai gelegen. Der Amtsinhaber hatte die absolute Mehrheit mit 49,67 Prozent der Stimmen knapp verfehlt. Daher war eine Stichwahl zwischen Karsai und Abdullah notwendig geworden.

Die afghanische Verfassung sieht den Rückzug eines Kandidaten bei der Stichwahl nicht vor. Artikel 61 bestimmt, dass der Präsident im ersten Wahlgang mit mehr als 50 Prozent der Stimmen gewählt werden muss, was Karsai nicht gelungen war. Damit wurde die Stichwahl zwischen ihm und dem Zweitplatzierten Abdullah notwendig. Nach offiziellen Angaben sind bereits rund 15 Millionen Wahlzettel für die Stichwahl zwischen Karsai und Abdullah gedruckt. Nach Abdullahs Rückzug wird eine extrem geringe Wahlbeteiligung befürchtet.

Ban war zuletzt im Februar 2009 in Kabul gewesen. Bei seinem Besuch wird er auch mit seinem Sondergesandten für Afghanistan, Kai Eide, zusammentreffen. Der Norweger Eide hatte sich nur zurückhaltend kritisch über die erste Wahlrunde geäußert. Sein früherer US-Stellvertreter Peter Galbraith hatte Eide Verharmlosung des Wahlbetrugs vorgeworfen. Galbraith wurde daraufhin von Ban abberufen. (dpa)