Das entführte und befreite Schiff gibt weiter Rätsel auf. Der Frachter darf keinen Hafen anlaufen, die Besatzung hat kaum noch Proviant.

Moskau/Hamburg. Der Mitte August aus den Fängen mutmaßlicher Ostsee-Piraten befreite Frachter „Arctic Sea“ ist immer noch auf Irrfahrt. Weil es nach der Entführung Spekulationen um Waffenschmuggel sowie rechtliche und technische Probleme gegeben habe, sei das Schiff bisher von allen Häfen abgewiesen worden, berichtete die russische Zeitung „Wremja Nowostej“. An Bord des finnischen Frachters seien noch immer der Kapitän sowie drei weitere Besatzungsmitglieder und russische Armeeangehörige.

Die Eigentümer hoffen, dass der mit Holz beladene Frachter für die Übergabe noch in dieser Woche vor der Küste Maltas endlich Anker werfen darf. Die Behörden signalisierten Bereitschaft, die unter maltesischer Flagge fahrende „Arctic Sea“ in ihren Hafen zu lassen. Voraussetzung sei aber, dass das reparaturbedürftige Schiff in sicherem Zustand sei. Russland hatte bereits Mitte September die Übergabe an Malta gemeldet. Ein russischer Militärdiplomat teilte nun nach Angaben der Agentur Interfax mit, dass der Frachter in den Schwarzmeerhafen Noworossijsk geschleppt werden müsse, sollte er erneut abgelehnt werden.

Die Familien der russischen Seeleute beklagen seit Wochen, sie hätten keinen Kontakt zu ihren Angehörigen. „Arctic-Sea“-Kapitän Sergej Sarezki teilte nach Angaben der Seefahrergewerkschaft mit, dass es an Bord zu wenig Essen und Wasser gebe. Zudem wisse keiner, wohin die Reise gehe. Elf Mitglieder der Besatzung waren nach wochenlangen Verhören durch den russischen Geheimdienst freigelassen worden.

Sie standen zeitweilig im Verdacht, mit den mutmaßlichen Piraten zusammengearbeitet zu haben. Die acht Verdächtigen, von denen die meisten aus Estland stammen, sitzen in Untersuchungshaft in Moskau. Sie bestreiten die Geiselnahme. Militärexperten hatten gemutmaßt, dass die acht Beschuldigten im Auftrag des israelischen Geheimdienstes einen Schmuggel von Raketen an den Iran vereiteln sollten. Russland hatte diese Spekulationen zurückgewiesen. Der Fall des am 24. Juli angeblich in der Ostsee vor Schweden entführten Schiffs hatte die halbe Welt über Wochen in Atem gehalten. An der Aufklärung des Hochsee-Thrillers waren die Nato, die EU sowie Geheimdienste aus 20 Ländern beteiligt. Die russische Schwarzmeerflotte hatte Mitte August das Kommando auf der „Arctic Sea“ übernommen. (dpa)