Die Suche nach dem verschollenen finnischen Frachter wird immer mysteriöser. Das Schiff soll sowohl vor den Kapverden vor Westafrika als auch im Golf von Biskaya vor Frankreich geortet worden sein.

Moskau/Hamburg. Das Rätsel um den verschollenen finnischen Frachter "Arctic Sea" wird immer mysteriöser. Das Schiff mit der 15-köpfigen russischen Besatzung (Kennung IMO 8912792) soll sowohl vor den Kapverden vor Westafrika als auch im Golf von Biskaya vor Frankreich geortet worden sein. Aber weder die französischen Behörden noch die Kapverden konnten die Angaben als glaubwürdig bestätigen.

Ein deutscher Marine-Experte sagte dem Abendblatt, das automatische Identifikationssystem des 17 Jahre alten Frachters unter maltesischer Flagge könnte manipuliert worden sein. Möglicherweise befindet es sich auch gar nicht mehr an Bord. Anscheinend konnten auch die Mobiltelefone der Besatzungsmitglieder nicht geortet werden. Es ist unklar, wie weit das Schiff mit seinem Vorrat an Kraftstoff überhaupt noch fahren kann. Den letzten Kontakt mit dem Frachter soll es am 28. Juli im Ärmelkanal mit britischen Behörden gegeben haben.

Die "Arctic Sea" soll Holz im Wert von gut einer Million Euro aus Finnland nach Algerien bringen. Dass Piraten es auf diese Ladung abgesehen haben, gilt als unwahrscheinlich. Deshalb wird vermutet, die "Arctic Sea" habe Waffen oder eine andere brisante Ladung an Bord. Inzwischen suchen auch russische Atom-U-Boote nach dem Schiff. "Die Lage ist dramatisch", sagte Russlands Nato-Botschafter Dmitri Rogosin. Er bestätigte, dass Russland bei der Suche nach dem Schiff ein Hilfsangebot der Nato angenommen habe. Präsident Dmitri Medwedew sagte, sein Land werde alles tun, um das Schiff zu finden und die Besatzung zu befreien.

Im russischen Staatsfernsehen gab es einen Bericht, nach dem die Staatsanwaltschaft in der Wolga-Region Nischni Nowgorod den illegalen Verkauf von vier Kampfjet-Rümpfen aufgedeckt habe. Möglicherweise hänge das Verschwinden der "Arctic Sea" mit dem Handel dieser MiG-31-Teile zusammen.

Bei der finnischen Reederei Solchart ging offenbar eine Lösegeldforderung ein. Es blieb aber unklar, von wem die Forderung stammt, wann sie einging und wie viel Geld gefordert wurde. Solchart-Chef Viktor Matwejew lehnte eine Stellungnahme ab. Er konzentriere sich darauf, das verschollene Schiff zu finden. "Ich schlafe nicht, ich esse nicht. Ich arbeite derzeit 24 Stunden am Tag", sagte der Reederei-Chef der Nachrichtenagentur Reuters. "Wir hoffen, dass die Besatzung am Leben ist."

Britische Medien spekulieren, dass bei dieser Lösegeldforderung "Trittbrettfahrer" am Werk gewesen sein könnten. Die Nachricht weiche stark vom Schema jüngster Piraterie-Fälle ab, hieß es. Die englische Zeitung "Mail on Sunday" heizte die Fantasie mächtig an: Im finnischen Hafen, in dem die "Arctic Sea" beladen wurde, soll es Tests auf radioaktive Strahlenbelastung gegeben haben. Tatsächlich gilt es in Moskau als ungewöhnlich, dass Russland mit Atom-U-Booten und der Schwarzmeerflotte sowie mithilfe der Nato nach dem Schiff sucht. Dies sei viel Aufwand für einen angeblichen Holztransporter mit 15 russischen Seeleuten an Bord, wundern sich Beobachter in Moskau.