Die Großen der Welt berieten über die künftige Finanzordnung. Kurz vor der Wahl präsentiert sich Angela Merkel beim G20-Gipfel selbstbewusst auf der internationalen Bühne. Finanzminister Peer Steinbrück komplettiert die letzte Reise der Großen Koalitionäre.

Pittsburgh. Angela Merkel ist zufrieden. Unmittelbar vor den Bundestagswahlen hat sie den besten Auftritt seit Langem. Wuppertal war am Mittwoch. Jetzt steht sie in Pittsburgh vor den Mikrofonen und Kameras. Das ist Weltklasse, Weltpolitik. Hier haben sich die Führer der 20 ambitioniertesten Mächte getroffen, um Wege aus der Finanzkrise zu suchen. Hier umarmt man sich wie unter Freunden und berät bei intensiven Abend- und Mittagessen, wie man Manager-Boni besser kontrolliert oder Banken zu mehr Eigenkapital zwingt, um sich nicht wieder, wie geschehen, erpressen zu lassen. Hier sucht man Verstetigung, neue Wertefundamente und Zukunft.

Pittsburgh, die deutscheste aller amerikanischen Städte, deren liebliches Umland an Rhein oder Mosel erinnert (wäre da nicht die typische amerikanische Architektur), war in diesen Tagen im Ausnahmezustand. 4000 Polizisten waren extra abkommandiert und öffentlich eingeschworen, die Innenstadt gesperrt. Der Gipfel setzte sich in ihrem Kern fest und bildete ein eigenes globales Dorf. Gipfel sind Kommunikationsforen, wie früher der Dorfplatz oder das Lagerfeuer. G20 als relativ neue Runde hat wohl ihre Feuerprobe bestanden. Inder, Chinesen. Deutsche, Amerikaner, Indonesier, Koreaner, Saudis üben den gemeinsamen Blick auf die Welt, suchen eine Sprache. So lernt der saudische König, dass da noch 19 andere ebenso wichtig sind.

Und am Ende haben sich alle gemeinsam feiern lassen. Zum Abschluss ihres Gipfels am späten Freitagabend (MESZ) stellten die Staats- und Regierungschefs bedeutende Fortschritte im gemeinsamen Kampf gegen einen Zusammenbruch des Weltfinanzsystems fest. "Es hat funktioniert", heißt es in dem offiziellen Statement. "Unsere kraftvollen Maßnahmen haben dabei geholfen, den gefährlichen, drastischen Absturz der weltweiten Finanzaktivitäten aufzuhalten und die Finanzmärkte zu stabilisieren." Die Finanzinstitute verfügten wieder über mehr Kapital, auch das Vertrauen wachse. US-Präsident Barack Obama jubelte: "Wir haben die Weltwirtschaft vor dem Abgrund gerettet." Die anderen Regierungschefs fügten aber hinzu: "Der Anschein von Normalität sollte nicht zu Selbstzufriedenheit führen."

Und der G20-Gipfel beschloss, Angela Merkels "Charta für nachhaltiges Wirtschaften" weiterzuführen. Auf dieser Grundlage habe der G20-Gipfel "Grundwerte für nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten angenommen, die Werte von Anständigkeit, Integrität und Transparenz einschließen", hieß es im Abschluss-Kommuniqué von Pittsburgh. Diese Werte sollten die Grundlage bilden für einen gemeinsamen Rahmen für starkes, stetiges und ausgeglichenes Wachstum, den sich die G20 gemeinsam schaffen würden.

Außerdem angenommen: Die wichtigsten Volkswirtschaften wollen die staatliche Förderung von fossilen Brennstoffen auslaufen lassen. "Das wird zu unserer Energiesicherheit beitragen und die grünen Jobs der Zukunft schaffen", sagte Obama. Damit würden insgesamt 300 Milliarden Euro an globalen Subventionen wegfallen.

Bei so viel Gemeinsamkeit sah man überall eine lächelnde Angela Merkel. Vielleicht lag die momentane Gelöstheit der Kanzlerin auch an Finanzminister Peer Steinbrück, der sie begleitete und mit dem sie nicht nur diese eine besondere Erfahrung verbindet, ihr Gründungsmythos, ihr "Kind": jenen Tag im Herbst vergangenen Jahres, als sie beide den Deutschen recht spröde, fast unbeholfen die Spareinlagengarantie gaben und damit Panikreaktionen verhinderten. Darauf sind beide immer noch stolz, Schlimmes verhindert, zum Wohlergehen der Deutschen gehandelt zu haben und dies auch weiterhin zu tun.

Es war die letzte Reise der Großkoalitionäre, und man spürt eine Nähe, die mehr ist als Zweckbündnis. Geradezu kokett diese Einstimmigkeit, die beiden ironisieren sie zuweilen. Ist das normal und spürt man nicht eher Anfang, oder besser, warum nicht "weiter so" statt Ende? Gehen Obama und sein Finanzminister Geithner so miteinander um? Gastgeber Amerika stand mehr unter Zugzwang: Afghanistan, die Gesundheitsreform, von der Klimakonferenz in Kopenhagen ganz zu schweigen, deren Perspektiven sich trüben. Obamas Anfangs-Heroismus läuft langsam ins Leere. Fast kann der Führer einer Supermacht einem leidtun, aber man kann da gut hinter verschlossenen Türen wirken. Wo ein Wille der Kanzlerin ist bei solchen Verhandlungen, da geht er seinen Weg.

DGB-Chef Michael Sommer, der mit internationalen Gewerkschaftsvertretern zugegen war, meinte, selbst überrascht: "Je mehr man sich von Deutschland entfernt, desto beliebter und anerkannter wird es." Da passt es doch gut, dass die nächsten beiden Gipfel im Juni 2010 in Kanada und im November in Südkorea stattfinden. In der Abschlusserklärung versprachen die Regierungschefs: "Wir erwarten, uns danach jährlich zu treffen" - im Jahr 2011 ist Frankreich Gastgeber.