Frankreich und Großbritannien äußern nach der Tragödie am Kundus Kritik am Angriffs-Befehl. FDP und Grüne fordern raschen Abzug.

Hamburg/Kundus. Der Angriff auf zwei von den Taliban gekaperte Tanklastzüge in Nordafghanistan mit zahlreichen Todesopfern hat die Sicherheitslage für die Deutschen am Hindukusch weiter verschärft und ihre politische Situation im Bündnis komplizierter gestaltet.

Nach der harschen Kritik des US-Oberkommandierenden in Afghanistan, General Stanley McChrystal, am Entschluss des deutschen Obersts Georg Klein, US-Kampfflugzeuge für einen Luftschlag anzufordern, haben nun auch die Regierungen in Paris und London "Besorgnis" über den Angriff geäußert, bei dem offenbar auch eine bislang unbekannte Anzahl von Zivilisten getötet wurde. Bei einem Treffen in Paris forderten die Außenminister David Miliband und Bernard Kouchner umfassende Ermittlungen. Der Brite Miliband sagte, zivile Opfer seien "das Gegenteil vom dem, weshalb wir dort sind". Und der Franzose Kouchner sagte: "Der Angriff hat der Zivilbevölkerung großen Schaden zugefügt." Der französische Staatssekretär im Außenamt, Pierre Lellouche, beeilte sich später zu betonen, er glaube nicht, dass in Frankreich "der geringste Wille zur Kritik" am Nachbarland bestehe. "Fehler können passieren", sagte Lellouche und fügte hinzu: "Ich drücke Deutschland meine vollständige und uneingeschränkte Solidarität aus."

Während das Bundesverteidigungsministerium in Berlin bei seiner Darstellung blieb, nach der es immer noch keine Gewissheit über zivile Opfer gebe, erklärte die afghanische Organisation Afghanistan Rights Monitor (ARM), nach Aussagen von 15 Bewohnern eines nahe gelegenen Dorfes seien bei dem Bombenangriff 60 bis 70 Zivilisten und ein Dutzend bewaffnete Taliban getötet worden. Allerdings seien mehrere der Opfer so stark verbrannt, dass eine Identifizierung nicht mehr möglich sei.

Bei einem feierlichen Gelöbnis der deutsch-französischen Brigade im badischen Donaueschingen forderte Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) mehr Verständnis für die Bundeswehr: Wer den Einsatz der deutschen Soldaten kritisiere oder gar ablehne, unterstütze damit indirekt die Ziele der Taliban.

Seine Kabinettskollegin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) äußerte Besorgnis über die Sicherheit der zivilen Helfer in Afghanistan nach dem Angriff. Und der Grünen-Verteidigungsexperte Winfried Nachtwei befürchtet, dass sich auch die Lage der deutschen Soldaten verschärft. Der von der Bundeswehr angeordnete Angriff "kann die sowieso schon sehr, sehr schwierige Lage im Raum Kundus noch mal schwieriger machen", sagte Nachtwei dem WDR. Es sei zu befürchten, dass das Vertrauen bei der afghanischen Bevölkerung in die Bundeswehr schwinde. Wieczorek-Zeul sagte dazu im Entwicklungsausschuss: "Wir versuchen die Herzen der Afghanen zu gewinnen und hatten sie auch schon gewonnen". Daher wiege der Vorfall bei Kundus schwer.

Grünen-Chefin Claudia Roth forderte ebenso wie der FDP-Sicherheitsexperte Max Stadler einen raschen Abzug der Bundeswehr möglichst binnen weniger Jahre, CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer die Erstellung eines klaren Rückzugsplans.

Derweil wies das Pentagon Berichte einer schwedischen Hilfsorganisation zurück, nach der US-Soldaten auf der Suche nach Taliban Türen in einem Krankenhaus in der Provinz Wardak eingetreten und Krankenhauspersonal gefesselt hätten. Die Durchsuchung sei mit Erlaubnis der Verwaltung erfolgt, hieß es.