Die freigelassenen Reporterinnen sind mit Clinton zurück in den USA. Nordkoreas Diktator Kim Jong-il sieht sich als Staatsmann aufgewertet.

Washington. 140 Tage nach ihrer Festnahme an der chinesisch-nordkoreanischen Grenze sind die beiden US-Journalistinnen Laura Ling und Euna Lee nach Hause zurückkehrt. Die Chartermaschine mit den beiden Befreiten und Bill Clinton, der ihre Freilassung in einem 20-Stunden-Besuch in direkten Verhandlungen mit dem Diktator Kim Jong-il erwirkt hatte, landete um gegen 5.45 Uhr Westküstenzeit im kalifornischen Burbank. Ling und Lee waren wegen "feindseliger Akte" zu zwölf Jahren Arbeitslager verurteilt, aber nie aus einem staatlichen Gästehaus in Pjöngjang verlegt worden.

Mit Freudentränen, Lachen und Umarmungen in einem Flughafenhangar endete das Drama vor den TV-Kameras. Bill Clinton begrüßte die Familien und seinen ehemaligen Vizepräsidenten Al Gore, der als Mitgründer von Current TV der Boss der beiden Reporterinnen ist und seit Wochen für ihre Freilassungen gearbeitet hatte. Laura Ling sagte unter Tränen: "Vor 30 Stunden waren wir noch Gefangene und fürchteten, in ein Arbeitslager zu kommen. Dann ging eine Tür auf und wir standen vor Präsident Bill Clinton. Es war ein Schock." Ling dankte für ihre Freilassung, auch "der Regierung von Nordkorea". Al Gore rühmte seinen "Freund und Partner" Bill Clinton und auch Präsident Obama für ihren Einsatz.

Der frühere US-Präsident, offiziell auf "privater, humanitärer Mission", hatte am Vorabend über drei Stunden mit Kim Jong-il getafelt. Und vermutlich auch über Atomrüstung, Raketenversuche und Rüstungsexporte gesprochen, die von den USA und dem Uno-Sicherheitsrat soeben wieder mit strengen Sanktionen beantwortet wurden. Erstmals hatte auch China den Druck auf seinen Verbündeten erhöht. Beobachter in den USA vermuten, dass diese Entwicklung, von US-Außenministerin Hillary Clinton zutreffend als Regime "ohne Freunde" beschrieben, eine Rolle bei der erfolgreichen Mission Clintons gespielt hat.

Vor ungefähr zehn Tagen, so bestätigten Eingeweihte nun der "New York Times", wandte sich Al Gore an seinen alten Freund mit der Bitte, die Vermittlung zu übernehmen. Als Mitbegründer von Current TV, des Medienunternehmens mit Sitz in San Francisco und somit als Boss von Laura Ling (32) und Euna Lee (36), reiche sein Gewicht in Pjöngjang einfach nicht aus. Die beiden Reporterinnen hätten in Telefonaten mit ihren Familien signalisiert, dass nur der Emissionär Bill Clinton ihre Freilassung erwirken könne. Clinton stimmte unter der Bedingung zu, dass Barack Obama einverstanden sei.

Entgegen den Behauptungen Pjöngjangs habe Clinton keine mündliche Botschaft Obamas übermittelt. Und auch keine "aufrichtige Entschuldigung für die feindseligen Akte" und eine "höfliche Bitte um Begnadigung" gegenüber Kim Jong-il überbracht, wie die nordkoreanische Nachrichtenagentur KCNA nun spürbar begeistert verbreitet. "Das ist nicht wahr", sagte Hillary Clinton, zurzeit auf Afrikareise, "das hat es nicht gegeben."

Kim Jong-il hatte nie seinen größten Wunsch aufgegeben, Bill Clinton nach Pjöngjang zu locken und auf Fotos neben ihm auch international zu staatsmännischer Größe anzuwachsen, die einem "Lieben Führer" gebühre.

Bei aller Freude über die Heimkehr der beiden Reporterinnen und der gebührenden Anerkennung für Bill Clinton, gab es aber auch Kritik. So fragte das "Wall Street Journal", ob Kims Preis nicht zu hoch gewesen sei. Dann nämlich, wenn Clintons Mission nur die "Anzahlung für potenziell weit größere Konzessionen" der Obama-Regierung gewesen sei. Die Mission sende zudem an andere Nationen der Sechserrunde wie Japan und Südkorea, die eigene Geiseln in Nordkorea nicht befreien können und von Clinton keine Hilfe bekamen, ein unglückliches Signal. John Bolton, letzter Uno-Botschafter George W. Bushs, beklagt, dass Clintons Mission "dem Verhandeln mit Terroristen gefährlich nahe kam". Bill Clinton habe so Hillary Clintons offizielle Politik untergraben. "Ich glaube, Nordkorea hat auf ganzer Linie gesiegt."

Die Verteidiger der Mission beharren dagegen auf der wiedergewonnenen Freiheit der beiden Frauen. Sie sei allein Clintons Mühe wert.