Die FDP-Politikerin wurde erst im dritten Wahlgang zur Vizepräsidentin gewählt. Die Liberale sagte dem Abendblatt: “Es ist gut, dass am Ende die Vernunft gesiegt hat.“ Es gab Verwunderung über Stimmverhalten der konservativen EVP-Fraktion.

Hamburg/Straßburg. Mit Spannung waren die Abendstunden im Straßburger Plenarsaal erwartet worden. Am Ende wurden es für Silvana Koch-Mehrin vor allem bange Stunden: Erst im dritten Wahlgang und mit nur zwölf Stimmen Vorsprung vor dem rechtslastigen Polen Michal Tomasz Kaminski wurde die FDP-Politikerin ins Präsidium gewählt. Dort ist sie nun die Vertreterin mit dem geringsten Rückhalt im Parlament.

Koch-Mehrin gab sich gleichwohl unerschüttert. "Ich freue mich sehr, dass es geklappt hat", sagte sie unmittelbar nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses dem Hamburger Abendblatt. "Ich werde meine neue Aufgabe als Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments verantwortungsvoll wahrnehmen."

Am Ende war es die Grünen-Fraktion, die Koch-Mehrin wählte und damit Kaminski verhinderte. "Es ist gut, dass am Ende die Vernunft gesiegt hat", kommentierte die Liberale den knappen Ausgang. "Ich freue mich, dass die Grünen im letzten Wahlgang umgeschwenkt sind und gesagt haben: Es kann nicht sein, dass ein europafeindlicher Kandidat in das Präsidium aufrückt." Die konservativen Abgeordneten hatten ihr offenbar die Stimme versagt. Der Chef der CSU-Gruppe, Markus Ferber, sagte dem Abendblatt: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass Frau Koch-Mehrin viele Stimmen aus der EVP-Fraktion bekommen hat." Sie solle froh sein, dass sie gewählt sei.

Die Liberale verwies auf die bevorstehende Bundestagswahl und zeigte sich verwundert über das Stimmverhalten der deutschen Konservativen: "Wir müssen nach der Bundestagswahl eine stabile bürgerliche Mehrheit hinbekommen. Das ist ein wichtiges Projekt, das man nicht gefährden darf."

Im Europaparlament wird Koch-Mehrin verübelt, dass sie die Sitzungswochen in Straßburg mit einem "Ausflug ins Landschulheim" verglichen hatte. Auch ihre seltene Präsenz bei Sitzungen wurde immer wieder kritisiert.

Bei der Wahl zum Parlamentspräsidium spielte offenbar die Abrechnung mit einer ungeliebten Kollegin eine entscheidende Rolle. Im ersten Wahlgang erhielt Koch-Mehrin nur 148 Stimmen, das mit Abstand schlechteste Ergebnis aller 15 Kandidaten für die 14 Posten. Im zweiten Wahlgang fiel ihr Resultat noch schlechter aus: 141 Abgeordnete stimmten für die FDP-Politikerin. In der dritten Runde galt die einfache Mehrheit - nur der Bewerber mit dem schlechtesten Ergebnis schied aus. Koch-Mehrin rettete sich mit 186 Stimmen auf den vorletzten Platz. Auf Kaminski entfielen 174 Stimmen. Dieser hatte sich durch rassistische und schwulenfeindliche Äußerungen unbeliebt gemacht.

Neben Koch-Mehrin werden der CDU-Parlamentarier Rainer Wieland und die SPD-Politikerin Dagmar Roth-Behrendt Deutschland im Präsidium vertreten.