Der ehemalige polnische Regierungschef ist Nachfolger von Hans-Gert Pöttering. Buzek war schon in den Achtzigern in der verbotenen Gewerkschaft Solidarnosc aktiv.

Straßburg. Der ehemalige polnische Regierungschef Jerzy Buzek (69) ist neuer Präsident des Europaparlaments. Er wird Nachfolger des deutschen Christdemokraten Hans-Gert Pöttering. Bereits im ersten Wahlgang erhielt Buzek mit 555 Stimmen die absolute Mehrheit der 644 abgegebenen Stimmen. Die Wahl wurde mit lang anhaltendem Beifall begrüßt.

Buzek war von 1997 bis 2001 polnischer Ministerpräsident. Er ist der erste Politiker aus Staaten des früheren Ostblocks, der eine Spitzenposition in der Europäischen Union übernimmt. „Die schwierigste Krise, die wir überwinden müssen, ist das mangelnde Vertrauen unserer Bürger“, sagte Buzek in seiner kurzen Bewerbungsrede. Nominiert wurde er von der stärksten Fraktion der Christdemokraten (EVP). Nach einer Absprache mit der zweitstärksten Fraktion der Sozialdemokraten wird in zweieinhalb Jahren, in der Mitte der Legislaturperiode, ein Sozialist zum Präsidenten gewählt werden. Der Parlamentspräsident leitet das Präsidium sowie wichtige Plenarsitzungen und repräsentiert die europäische Volksvertretung nach außen.

Buzek hat in den 1980er Jahren als Untergrundaktivist der damals verbotenen Gewerkschaft „Solidarnosc“ und später als Polens Regierungschef mehrmals Mut und Entschlossenheit bewiesen. Der konservative Politiker, dem jede ideologische Verbissenheit fernliegt, bewies gleichzeitig die große Fähigkeit, vernünftige Kompromisse zu schließen.

Der aus Schlesien stammende Protestant widmete sich nach dem Abschluss eines Chemiestudiums 1963 zunächst der Wissenschaft. Die Gründung der Gewerkschaft „Solidarnosc“ trieb ihn, wie Millionen seiner Landsleute, in die Politik. Buzek gründete eine Gewerkschafts-Zelle an seinem Chemieinstitut in Gleiwitz (Gliwice) und kämpfte bald auch landesweit gegen die kommunistische Diktatur. Nach der Verhängung des Kriegsrechts durch die Militärjunta 1981 baute der Chemiker in Schlesien die konspirativen Strukturen in Schlesien auf.

Wegen schwerer Krankheit seiner Tochter Agata – in Deutschland als Tatort-Schauspielerin bekannt – zog sich Buzek Ende der 80er Jahre aus der Politik zurück. Erst 1997 schlug wieder seine Stunde. Als Regierungschef einer Solidarnosc-Regierung gelang es ihm, das Renten- und Bildungssystem zu reformieren und dem Land eine neue Verwaltungsstruktur zu geben.

Nach der Niederlage bei der Parlamentswahl 2001 kehrte der Professor für Technische Wissenschaften an seine Hochschule zurück. 2004 gewann er erstmals ein Mandat zum Europaparlament. Dort zeichnete er sich durch fleißige und kompetente Arbeit aus. Kein Wunder, dass er in diesem Jahr ein Rekordergebnis – knapp 400 000 Stimmen erreichte. Auf der Popularitätsskala hat er in Polen derzeit sogar den amtierenden Ministerpräsidenten Donald Tusk überholt.