Sie bestellen Nudeln und Fleisch beim Catering-Service und bezahlen in bar mit Lösegeldern. Hier geht’s zur Bildergalerie.

Mogadischu. Pirat müsste man sein: Die somalischen Seeräuber bauen sich vornehme Steinhäuser, fahren Luxusautos, heiraten schöne Frauen und engagieren sogar Catering-Dienste zur Verpflegung ihrer Geiseln. Die Piraten haben den somalischen Küstenstädten mit vielen Millionen Dollar Lösegeld einen ungeahnten Wirtschaftsboom beschert. In dem Land am Horn von Afrika, das seit fast 20 Jahren keine funktionierende Regierung mehr hat und von Bürgerkrieg, Chaos und Armut geprägt ist, sind Seeräuber die neuen Helden.

"Die Piraten sind von uns abhängig, und wir profitieren von ihnen", sagt Sahra Sheik Dakir, eine Ladenbesitzerin in Haradhere. In der Nähe des Küstenortes ging der saudi-arabische Supertanker "Sirius Star" mit Öl im Wert von rund 100 Millionen Dollar vor Anker. Als der 330 Meter lange Koloss am Horizont auftauchte, versammelten sich Dorfbewohner an der Küste zum Feiern. Händler bauten ihre Stände mit Zigaretten, Essen und kalten Getränken auf, um die fast täglich an Land kommenden Piraten zu versorgen.

Video: Indische Marine versenkt Piratenboot

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Die Küstenstädtchen wie Haradhere, Eyl und Bosasso waren einst von bitterer Armut gezeichnet. Heute sind sie voll mit neuen Restaurants, großen Autos und Internet-Cafes. Einige Bewohner haben sich sogar Generatoren zugelegt und genießen damit den in Somalia fast unbekannten Luxus einer 24-stündigen Stromversorgung.

Die boomenden Städte stehen in scharfem Kontrast zum bitterarmen Rest des Landes. Die Lebenserwartung liegt bei 46 Jahren, jedes vierte Kind stirbt noch vor dem fünften Geburtstag. Im Süden haben islamische Extremisten die Herrschaft übernommen, die Verdächtige auspeitschen und steinigen lassen.

Piraten hingegen sind vertrauenswürdige Geschäftsmänner - zumindest an der somalischen Küste. Bei Dahir dürfen sie sogar alle Einkäufe anschreiben lassen. Die Händlerin sagt: "Später, wenn sie dann das Lösegeld haben, zahlen sie uns viel Geld." Shamso Moalim (36), Mutter von fünf Kindern in Haradhere, sagt: "Unsere Kinder machen sich jetzt keine Sorgen ums Essen mehr. Sie gehen morgens in islamische Schulen und spielen nachmittags Fußball. Sie sind glücklich."

Trotz der verstärkten Präsenz internationaler Kriegsschiffe im Golf von Aden schlagen die Piraten immer häufiger zu. Die Branche boomt. Schätzungen gehen von insgesamt mehreren Tausend Piraten in Somalia aus. Die Seeräuber starten zumeist von der halbautonomen Region Puntland aus. Lokale Abgeordnete sollen sie dort gegen einen Anteil an der Beute schützen, heißt es. Die Behörden erklären jedenfalls, sie hätten keine Möglichkeit, der Piraterie Einhalt zu gebieten.

Die Geiseln werden von den Piraten zumeist gut behandelt. Sie beauftragen sogar Dienstleister an der Küste, um für westliche Geschmäcker passables Essen zuzubereiten - Spaghetti, Meeresfrüchte oder gegrilltes Fleisch. Wenn der Tag des Lösegelds kommt, sind diese Ausgaben vergessen. Millionen Dollar fallen dann zum Beispiel einfach vom Himmel - wenn Hubschrauber das Geld in Leinensäcken an Bord des gekaperten Schiffs werfen. Oder das Geld wird in wasserdichten Koffern auf kleinen Ruderbooten ausgesetzt.

Dann kommt der kritische Moment für die Piraten. "Der Älteste auf dem Schiff hat die Verantwortung, das Geld einzusammeln", sagte Aden Yusuf, ein Pirat in der Hafenstadt Eyl, der AP über UKW-Radio. "Dafür bekommt er später auch extra Geld." Doch zunächst muss die Echtheit des Lösegelds überprüft werden. Dazu haben die Piraten professionelle Geldzählmaschinen wie fast alle Wechselstuben in der Welt. "Diese Ausrüstung zu bekommen ist für uns einfach. Wir haben Geschäftsverbindungen mit Leuten in Dubai, Nairobi, Dschibuti und anderen Regionen", sagte Yusuf. "Wir schicken Geld, und sie schicken uns, was wir wollen."

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