Der erste Entwurf scheiterte spektakulär - nach Zugeständnissen und Veränderungen stimmte jetzt eine Mehrheit dafür.

Washington. Im zweiten Anlauf hat das US-Repräsentantenhaus dem Gesetzespaket zur Rettung des Finanzsektors zugestimmt. Die Abgeordneten votierten gestern in Washington mit klarer Mehrheit für den 700 Milliarden Dollar schweren Gesetzentwurf. Die Vorlage erhielt 263 Jastimmen, 171 Abgeordnete stimmten dagegen. Bei einem ersten Votum am Montag hatte der Entwurf eine Mehrheit noch knapp verfehlt.

Der geänderte Plan ermächtigt die US-Regierung zu einem beispiellosen staatlichen Eingriff in den Finanzsektor. Von dem Votum erhoffen sich der Kongress und das Weiße Haus ein Signal der Beruhigung für die weltweiten Finanzmärkte. US-Präsident George W. Bush ließ nur 90 Minuten verstreichen, ehe er den Text durch seine Unterschrift in Kraft setzte. Die erste Version des Entwurfs war am Montag spektakulär im Repräsentantenhaus gescheitert, die Ablehnung hatte die Börsenkurse weltweit auf Talfahrt geschickt. Am Mittwoch passierte dann aber eine überarbeitete Fassung den Senat. Das Votum im Repräsentantenhaus war nun die letzte parlamentarische Hürde. Das Gesetzespaket ermöglicht es dem Staat, Banken faule Kredite im Umfang von bis zu 700 Milliarden Dollar abzukaufen. Um das Vertrauen der Bankkunden zu stärken, wurde die Garantiesumme für Bankguthaben erhöht: Diese soll von bisher 100 000 auf 250 000 Dollar pro Konto steigen. Als Zugeständnis an die republikanischen Kongress-Mitglieder sieht der Entwurf zudem Steuererleichterungen für Unternehmen und den Mittelstand vor. Erst mit diesen Zugeständnissen wollten einflussreiche Republikaner nun zustimmen. Die Demokraten hatten bereits in der ersten Abstimmung am Montag mehrheitlich zugestimmt.

Die Kernpunkte im Überblick:

Rettungsfonds: Herzstück ist weiterhin der 700-Milliarden-Dollar-Fonds. Er soll angeschlagenen Finanzhäusern faule Hypotheken-Kredite und "giftige" Wertpapiere abkaufen.

Neu sind vor allem drei Punkte:

Bankkonten: Beim Zusammenbruch ihrer Bank bekommen Kunden mehr Schutz. Einlagen sollen nun im Fall der Pleite bis 250 000 Dollar garantiert sein - bisher sind es 100 000 Dollar.

Steuern: Geplant sind Steuersenkungen im Volumen von rund 150 Milliarden Dollar. Profitieren sollen vor allem Geringverdiener und Familien sowie bestimmte Firmen etwa mit hohen Forschungsausgaben.

Zeitplan: Die Gesamtsumme wird nicht sofort ausgezahlt. Das Finanzministerium bekommt zunächst 250 Milliarden Dollar, später 100 Milliarden und die letzten 350 Milliarden - wenn der Kongress kein Veto einlegt.

Macht: US-Finanzminister Henry Paulson erhält zusätzlich zum großen Scheck auch eine bislang beispiellose Machtfülle. Bei vielen Details des Programms hat er freie Hand. Auch Notenbank-Chef Ben Bernanke spielt eine gewichtigere Rolle als bisher.

Kontrolle: Der Kongress stellt ein eigenes Aufsichtsgremium, ebenso der Rechnungshof. Die laufende Arbeit kontrolliert ein weiteres Gremium mit Fed-Chef Bernanke.

Managergehälter: "Goldene Fallschirme" (Millionen-Abfindungen) für gescheiterte Wall-Street-Bosse soll es bei den Teilnehmerbanken nicht mehr geben. Top-Gehälter werden gedeckelt.

Anteile: Der Staat soll Anteile an den beteiligten Finanzhäusern erhalten. So kann er profitieren, wenn es ihnen wieder bessergeht.

Teilnehmer: Vom Finanzkonzern über Fonds und Versicherer bis zu Regionalbanken können alle ihre Altlasten anbieten.

Hausbesitzer: Sie können auf Erleichterungen wie geänderte Kreditraten und niedrigere Zinsen hoffen. Der Fonds wird aber nicht unmittelbar etwa bei Zwangsversteigerungen von Häusern als Retter einspringen.

Endabrechnung: Wie viel die Aktion den US-Steuerzahler tatsächlich kosten wird, steht in den Sternen. Der Staat will die Papiere wieder verkaufen. Jeder erzielte Dollar verringert die Schlussrechnung. Am Ende könnte der Staat sogar mehr als die 700 Milliarden Dollar einnehmen und so einen Gewinn machen - das Risiko ist aber hoch.