Die Insel gilt seit Jahrhunderten als Zuflucht für Verfolgte

Hamburg. Als Schauplatz eines der furchtbarsten Terroranschläge der jüngeren Geschichte hat man sich die indonesische Insel Bali bislang kaum vorstellen können. Das 145 Kilometer lange und 95 Kilometer breite Eiland am südlichen Rand des indonesischen Archipels galt als "friedlicher Hafen", als unvergleichlich schöne "Insel der Götter". Kilometerlange Traumstrände, malerische Reisterrassen, ausgedehnte Palmwälder und stille Bergseen sowie rund 20 000 Tempel und Heiligtümer beschwören bei jährlich mindestens 1,4 Millionen Touristen - vor allem Australiern, Amerikanern und Japanern, aber auch Deutschen - die Vision eines irdischen Paradieses herauf. Die in vielen Regionen Indonesiens lodernden religiösen und ethnischen Konflikte hatten Bali bislang verschont. Die schöne Sunda-Insel nimmt im Verband der islamisch geprägten Republik ohnehin eine Sonderstellung ein: Dominierende Kultur ist hier der Hinduismus, nur im Norden Balis gibt es islamischen Einfluss. Die Bevölkerung Balis hatte sich der Islamisierung Indonesiens, die bereits im 16. Jahrhundert weitgehend abgeschlossen war, erfolgreich widersetzt. Die Insel wurde daher zum Zufluchtsort der anderswo vertriebenen Hindus. Zu ihrer Kultur gehören die Gamelan-Musik sowie die Tempeltänze mit grazilen Frauen in prächtigen Gewändern. Heute wohnen rund drei Millionen Menschen auf Bali, vor allem eingeborene Balinesen, doch finden sich in den Städten auch kleinere arabische, indische und chinesische Gemeinden. Der Lebensstil ist toleranter und sinnenfroher als im übrigen Indonesien. Der Genuss von Alkohol wird bei Touristen ebenso geduldet wie ein rasantes Nachtleben. Eine Vielzahl von Diskotheken und Karaoke-Bars sind zu Treffpunkten für erlebnishungrige Reisende geworden. Es ist gewiss kein Zufall, dass zwei von Ausländern frequentierte Bars im Touristenort Kuta zum Ziel der Anschläge wurden. Kuta ist vor allem bei Rucksacktouristen sehr beliebt. Sie werden von dem langen Sandstrand und der grandiosen Brandung angelockt, die für Surfer geradezu paradiesisch ist. Der in Kuta praktizierte westliche Lebensstil könnte der rätselhaften islamistischen Extremistengruppe Jemaah Islamijah ein Dorn im Auge gewesen sein. Diese Gruppe, die die Öffentlichkeit scheut, strebt einen islamistischen Gottesstaat an, der neben Indonesien auch Malaysia, Singapur, Brunei und die südlichen Philippinen umfassen soll. Ihr mutmaßlicher Anführer Abubakar Baasyir gilt als Bewunderer von Osama bin Laden. Die mörderische Ideologie der Gruppe passt überhaupt nicht zur friedlichen Kultur der Balinesen.