Mohammed-Karikaturen: Gewalt gegen westliche Botschaften in Arabien - Europäische Vertretungen in Beirut, Damaskus und Gaza-Stadt verwüstet. Geistliche hatten den Protest angezettelt. Als er ausuferte, fühlten sie sich nicht mehr verantwortlich.

Beirut/Kairo. Der junge Demonstrant ist wutentbrannt. Um seine Stirn trägt er ein Band in Grün, der Farbe des Islam. Inmitten einer Menge aufgebrachter Moslems steht er vor dem brennenden dänischen Konsulat in Beirut, dicker Rauch steigt von dem Gebäude in den Himmel über der libanesischen Hauptstadt.

Trotz Tränengas und Schlagstöcken ist es den Sicherheitskräften nicht gelungen, die Menschenmenge von der diplomatischen Vertretung fernzuhalten. "So wird es allen ergehen, die sich gegen den Islam und seinen Propheten wenden. Sie sollen im Höllenfeuer verbrennen", sagt der junge Mann mit dem Stirnband drohend.

Tausende Menschen folgen am Sonntag dem Aufruf der "Nationalen Bewegung für die Verteidigung des Propheten Mohammed" zur Demonstration gegen die Veröffentlichung von Mohammed-Karikaturen in europäischen Zeitungen. Die wütende Menge zieht durch das christliche Stadtviertel Aschrafieh, rund 200 Meter vor dem dänischen Konsulat kommen die Demonstranten vor einer Absperrung zum Stehen. Das Gebäude, in dem sich auch die Vertretung Österreichs und eine Bankfiliale befinden, ist nach den Brandanschlägen auf die Botschaften Dänemarks und Norwegens in der syrischen Hauptstadt Damaskus bereits vorsorglich geräumt worden.

Um die zum Teil mit Knüppeln bewaffneten Demonstranten zu vertreiben, schießen Polizisten in die Luft, feuern Tränengas in die Menge. Die Demonstranten lassen ihre Wut an parkenden Autos und Polizeifahrzeugen aus, zerschlagen Schaufenster und versuchen eine christliche Kirche in Brand zu setzen. Einer mit einem Benzinkanister bewaffneten Gruppe gelingt es schließlich, zum Eingang des Konsulats vorzudringen und im Treppenhaus Feuer zu legen. Draußen skandieren die Menschen "Gott ist groß", applaudieren und schwenken grüne Fahnen.

Fast 30 Menschen werden bei den Ausschreitungen verletzt, müssen mit Gasvergiftungen und Knochenbrüchen im Krankenhaus behandelt werden. Erst als sich die Menge am Nachmittag zerstreut, kann die Feuerwehr mit den Löscharbeiten im Konsulat beginnen. Die Demonstranten besteigen am Platz der Märtyrer in Beirut die Busse, die sie von der nördlichen Bekaa-Ebene in die Hauptstadt gebracht haben.

Die islamische Schiitenpartei Hisbollah, deren Milizionäre an der Südgrenze gelegentlich Israelis angreifen, halten sich raus. Vielmehr sind es sunnitische Geistliche, die den Protest angezettelt haben. Als die Protestaktion aus dem Ruder lauft, fühlen sie sich für den Geist, den sie aus der Flasche gelassen haben, aber plötzlich nicht mehr verantwortlich. Einer von ihnen versucht erfolglos, die "Allahu Akbar" schreienden Jugendlichen zu bremsen. "Die Brandstiftung wollten wir nicht", sagt er hinterher.

Ministerpräsident Fuad Siniora sieht hinter dem gewalttätigen Ausbruch "Kräfte, die einen Keil zwischen die verschiedenen Religionsgruppen treiben wollen". Ein schwerwiegender Vorwurf in einem Land, in dem Angehörige der verschiedenen Konfessionen 15 Jahre einen blutigen Bürgerkrieg führten.

Libanesische Christen blockieren vorübergehend die Autobahn von Beirut nach Damaskus mit brennenden Reifen. "Wenn Demonstranten unsere Kirchen in Beirut anzünden, werden wir nicht untätig zusehen", sagt einer von ihnen. (afp/dpa/HA)