Uno-Bericht: Libanons Präsident und Assads Innenminister waren in das Attentat verwickelt. Damaskus weist jede Schuld von sich. USA fordern Sanktionen. Staatschef in Beirut soll zurücktreten.

BEIRUT/NEW YORK. In die Ermordung des früheren libanesischen Ministerpräsidenten Rafik Hariri sind nach einem Uno-Bericht ranghohe Offiziere der syrischen und libanesischen Sicherheitskräfte verwickelt gewesen. Der Uno-Sonderermittler und Berliner Oberstaatsanwalt Detlev Mehlis sagte bei der Vorstellung seiner Untersuchung in New York, ein so komplexes Attentat hätte ohne Wissen der Geheimdienste beider Länder kaum geplant werden können. Aus US-Kreisen hieß es, die syrische Regierung müsse sich wohl auf Sanktionen einstellen.

Damaskus und der libanesische Präsident Emile Lahud wiesen die Vorwürfe entschieden zurück. Mehlis' Bericht sei "100prozentig politisch motiviert", kritisierte der syrische Informationsminister Mahdi Dachlalla. Offensichtlich gehe es nur darum, den internationalen Druck auf Damaskus zu verstärken. Wegen dieses Drucks, ausgelöst durch massive anti-syrische Proteste im Libanon, hatte sich Syrien nach dem Autobombenanschlag im Februar, bei dem Hariri und 21 weitere Menschen getötet wurden, aus dem Zedernstaat zurückgezogen.

In einer vertraulichen Version des Uno-Berichts wird ein syrischer Zeuge zitiert, daß Maher Assad, der Bruder von Präsident Baschar al-Assad, und der syrische Geheimdienstchef Assef Schaukat, ein Schwager des Präsidenten, an der Vorbereitung des Anschlags beteiligt gewesen seien. Schaukat soll einen Mann dazu gezwungen haben, ein Schuldbekenntnis zu fälschen.

Syriens Staatschef Assad, der jede Verwicklung in den gezielten Bombenanschlag stets bestritten hatte, wird selbst nicht unmittelbar mit dem Attentat in Verbindung gebracht, wohl aber Innenminister Rustum Ghasale, letzter Chef des syrischen Geheimdienstes im Libanon, der sich am 12. Oktober das Leben genommen hatte. Er galt als wichtiger Zeuge der Ermittler. Beschuldigt wird ferner der damalige Leiter der libanesischen Präsidentengarde. Er und drei weitere libanesische Generale wurden im Zuge der Ermittlungen bereits festgenommen.

Im Libanon wuchs der Druck auf Lahoud, der als treuer Verbündeter Syriens gilt. Libanesische Parlamentsabgeordnete forderten den Rückritt des Staatschefs. Der Uno-Bericht sei "erdrückend", sagte Elias Atallah, der dem anti-syrischen Bündnis unter Hariris Sohn Saad angehört, das bei der Wahl im Juni die Mehrheit erlangt hatte. Lahoud müsse Konsequenzen ziehen.

Lahoud soll nach dem Uno-Bericht wenige Minuten vor dem Anschlag einen Telefonanruf auf seinem Handy von einem der Hauptverdächtigen erhalten haben. Die Hintergründe müßten noch näher untersucht werden, schreiben die Uno-Ermittler. "Daran ist absolut nichts wahr", hieß es aus Lahouds Büro.

Motiv für die Tat, so verlautete in New York, soll die Weigerung des damaligen libanesischen Premiers Hariri gewesen sein, das Mandat Lahouds zu verlängern. Damit hatte sich Hariri offen gegen Syriens Herrscher Assad gestellt. Sein Todesurteil?

Uno-Generalsekretär Kofi Annan kündigte an, er werde das Mandat der Ermittler bis zum 15. Dezember verlängern, um letzte Einzelheiten zu klären. US-Außenministerin Condoleezza Rice forderte, die internationale Gemeinschaft müsse Syrien zur Verantwortung ziehen. Einzelheiten wollte Rice zunächst nicht nennen.

"Wir werden den Bericht sehr sorgfältig prüfen und auf Grundlage des Inhalts entscheiden, wie wir weiter vorgehen sollen", sagte der amerikanische Uno-Botschafter John Bolton mit Blick auf mögliche Sanktionen gegen Syrien. Die USA hätten sich schon mit anderen Ländern beraten. US-Medien spekulierten, daß Washington den Bericht zum Anlaß für schärfere Sanktionen gegen Syrien nehmen wolle. Die EU-Kommission forderte, Syrien müsse uneingeschränkt mit den Uno-Ermittlern zusammenarbeiten. Für Konsequenzen gegen Damaskus sei es noch zu früh. Die USA, Großbritannien und Frankreich planen die Isolierung Syriens, um das Land für die jahrzehntelange Besetzung Libanons sowie den Mordfall Hariri zur Verantwortung zu ziehen.

Ein Führer der christlichen Libanesen, Michel Aoun, sprach sich unterdessen für die Verlegung des Verfahrens vor einen internationalen Gerichtshof aus, da mehr als ein Staat in die Tat verwickelt sei.