“Wir lassen uns nicht einschüchtern!“ Aber viele fordern den Abzug.

Rom. Die Nachricht vom Bombenanschlag auf das Hauptquartier der italienischen Polizei in Nassirijah lähmt Italien. Es herrscht Entsetzen, Trauer und Betroffenheit. Das ganze Land hatte den Versicherungen von Regierung und Armee geglaubt, dass die schiitische Bevölkerung in Nassirijah die italienischen Soldaten außerordentlich freundlich aufgenommen habe. Fassungslos verfolgen die Italiener nun die Sondersendungen im Fernsehen mit stündlich steigenden Opferzahlen. Der Nachrichtensprecher des staatlichen italienischen TV-Senders RAI 1 kämpft ständig mit den Tränen; ein Armeesprecher fängt während eines Interviews an zu weinen: "Wir haben hier alle Tränen in den Augen, doch wir müssen weitermachen."

Mindestens 17 Italiener sind unter den 25 Todesopfern. Die Carabinieri-Kasernen, später auch die Ministerien und die Regionen - zuerst die des ärmeren Südens, denn von dort kommt ein Großteil der Polizeitruppe im Irak - flaggen halbmast. Das Parlament legt eine Schweigeminute ein. Im Fernsehen ruft ein hilflos wirkender Staatspräsident, Carlo Azeglio Ciampi, in einer ersten Ansprache die Nation zur Geschlossenheit auf.

Auch Papst Johannes Paul II. durchbricht seine Routine. Anders als bei sonstigen Katastrophen unterschreibt er das Beileidstelegramm an Ciampi persönlich und überlässt dies nicht seinem Kardinal-Staatssekretär. In aller Schärfe verurteilt Johannes Paul II. das "niederträchtige Attentat".

Regierungschef Silvio Berlusconi spricht im Senat: "Italien lässt sich nicht einschüchtern!" Seine Regierung denke gar nicht daran, die rund 3000 Soldaten aus dem Irak abzuziehen.

Vor dem Parlament in Rom versammeln sich Demonstranten, die den sofortigen Abzug der italienischen Truppen aus dem Irak verlangen. Der Chef der Kommunistischen Partei Italiens (KPI), Arnaldo Cossuta, fordert, dass Italien sich nicht länger an einem "Kolonialkrieg" beteiligen dürfe. Pietro Folena von den Links-Demokraten sagt, Berlusconi habe die Soldaten in ein Land geschickt, das in Flammen stehe.

Militärexperten klagen an, dass die italienische Armee die Gefahr in Nassirijah offensichtlich unterschätzt habe. Das Hauptquartier der Italiener war nicht durch schwere Panzersperren gesichert. Dabei hatte es Warnungen gegeben. Das Verteidigungsministerium in Rom bestätigte, der US-Geheimdienst CIA habe auf drohende Attentate hingewiesen. In Nassirijah versteckten sich noch zahlreiche Elitesoldaten des gestürzten Regimes von Saddam Hussein.

Mit dem Autobombenanschlag ist Italien plötzlich das Land geworden, das nach den USA und Großbritannien die höchsten Verluste im Irak erlitten hat.

Der Trainer der italienischen Fußball-Nationalmannschaft, Giovanni Trappatoni, bringt die nationale Tragödie so auf den Punkt: "Du siehst das alles weit entfernt, bis es dich selbst erwischt." In Italien selbst sind die Sicherheitsvorkehrungen gestern verschärft worden.