US-Medien beklagen Mangel an konkreten Ergebnissen der Europatour. In den Mittelpunkt rückt wieder Innenpolitik.

Hamburg. Europa hat den US-Präsidenten wie einen Superstar gefeiert, bei der Rückkehr in die Heimat ist Barack Obama mit Ernüchterung empfangen worden. Die Ergebnisse seiner ersten großen Auslandsreise seien enttäuschend, kritisierten viele US-Medien. Auch die oppositionellen Republikaner urteilten, die Visite sei in erster Linie eine Party-Zeit für den Präsidenten gewesen, eine Zeit, sich feiern zu lassen. Konkrete Zugeständnisse habe er nicht erreicht.

Obama war nach einer achttägigen Reise durch Europa und einem Zwischenstopp im Irak erst in der Nacht wieder ins Weiße Haus zurückgekehrt. Hinter ihm lagen drei internationale Gipfeltreffen und 15 bilaterale Begegnungen. In Washington aber rückte die Wirtschaftskrise wieder in den Brennpunkt. Gleichzeitig mahnten die Medien innenpolitische Erfolge an. Die Website "Politico" monierte, dass Obamas ehrgeizige Projekte eines Emissionshandelssystems zum Klimaschutz, einer Gesundheitsreform oder einer Finanzmarktneugestaltung im Kongress zerpflückt werden dürften. Als weitere Herausforderungen erwarten Obama ein Tauziehen um seinen Etat-Entwurf für 2010 und massiver Widerstand im Kongress gegen geplante Umschichtungen im Militäretat. "Obama ist in einer sehr, sehr schwierigen Lage", sagte John Kornblum, ehemaliger Botschafter der USA in Deutschland, dem Abendblatt. "Fast alles, was er künftig vorschlägt, wird von irgendjemandem kritisiert werden. Und Obama weiß das." Grund sei die größte politische Krise seit 80 Jahren. Es wachse in Amerika derzeit eine sehr hitzige Debatte, die sich nach Kornblums Prognose über die nächsten vier Jahre hinziehen werde.

Der Botschafter a. D. verwies in dem Zusammenhang darauf, dass Amerika kein parlamentarisches Regierungssystem habe. Der Kongress sei ein unabhängiges Regierungsorgan - "und hin und wieder sagen auch Demokraten, dass sie anderer Meinung als der demokratische Präsident sind". Dieser Unterschied zu Europa sei gravierend. "In Deutschland versteht man Amerika null", sagte Kornblum. "Man hat ein Bild von Amerika, das einfach nicht stimmt." Darüber hinaus werde derzeit ein neues Amerika gebaut. Ein Amerika, das nach den Worten Kornblums "sehr anstrengend für die Europäer wird".

Erste Differenzen sind bereits beim G20-Gipfel in London sichtbar geworden. Obama sei es nicht gelungen, die anderen Staaten von neuen nationalen Konjunkturpaketen zur Ankurbelung der Wirtschaft zu überzeugen, kritisierte die US-Presse. Keine Resonanz habe es zudem für eine von Obama favorisierte stärkere Regulierung der Finanzmärkte gegeben. Für Kornblum ist diese Kritik keine Überraschung. "Bei Gipfeltreffen wird üblicherweise ein Dialog begonnen, aber nur sehr selten werden konkrete Beschlüsse vereinbart", sagte er. Auch hier gebe es einen strategischen Unterschied zwischen Amerika und einigen Europäern: "Vor allem Deutschland und Frankreich pochen auf einen Regulierungs- und nicht auf einen Stimulierungsansatz. Und die Amerikaner machen das Gegenteil."

Obama wird zudem vorgehalten, dass er bei dem Nato-Gipfel in Straßburg und Baden-Baden die Europäer nicht dazu bewegen konnte, sich mit mehr als einer symbolischen Truppenverstärkung am Afghanistan-Einsatz zu beteiligen. "Obama hat das zur Kenntnis genommen", sagte Kornblum. "Die Europäer haben die Truppen nicht." Der große transatlantische Streitpunkt sei nicht Afghanistan, "sondern der mangelnde Beitrag der Europäer zur gemeinsamen Sicherheit" insgesamt.

Kornblum äußerte zudem den Eindruck, dass Obamas Vorschlag zur Umstrukturierung der Nato von den Europäern möglicherweise fehlinterpretiert werde: "Obama will keinen Weltpolizisten schaffen." Notwendig seien allerdings kleinere Verbände, schnellere Reaktionsmöglichkeiten, flexiblere Ausrüstungen und vieles mehr. "Man muss bereit sein, in verschiedene Arten von Konflikten einzugreifen."

Obamas Bekenntnis zur Abschaffung aller Atomwaffen stieß in den USA kaum auf Widerhall, die Vereinbarung mit Russland über den weiteren Abbau strategischer Waffen wurde nur als erster und nicht als entscheidender Schritt bewertet. Dagegen sagt Kornblum, dies sei eine wichtige Initiative Obamas, bei der es nicht nur um Abrüstung gehe, sondern um einen Neuanfang in den Beziehungen zu Russland. Zudem liefen einige der Abrüstungsabkommen ohnehin am Ende dieses Jahres aus.

Die "Washington Post" warf sogar die Frage auf, ob Obama nach seiner Reise in der Welt als "schwach und die USA als verwundbar angesehen werden". Kornblum: "Das hat man auch im Wahlkampf gesagt." Obama sei zu freundlich gewesen, zu defensiv. "Und er hat die Wahl glänzend gewonnen." Ein Problem, das nach Einschätzung des Diplomaten in den USA wie in Europa bestehe, sei die "Unsicherheit, wie man mit Obama umgehen soll". Der Präsident verwende ganz neue politische Methoden. Obama sehe in der Bereitschaft zum Zuhören keine Schwäche, sondern eine Voraussetzung für einen politischen Konsens. Es werde bestimmt ein paar Jahre dauern, bis andere Politiker nicht nur in den USA, sondern auch in Europa, Russland und China diese Methode verstehen: "Eine, die auf Konsens setzt. Und nicht auf Macht."