Heute beginnt vor dem Moskauer Gericht im Stadtteil Chamowniki der zweite Prozess gegen den einstigen Chef des Erdölkonzerns Yukos, Michail...

Moskau. Heute beginnt vor dem Moskauer Gericht im Stadtteil Chamowniki der zweite Prozess gegen den einstigen Chef des Erdölkonzerns Yukos, Michail Chodorkowski, und seinen Geschäftspartner Platon Lebedjew. Nach ihrer ersten Verurteilung im Jahr 2005 droht nun eine weitere langjährige Haftstrafe. In 14 dicken Aktenbänden hat die Anklage das Belastungsmaterial zusammengefasst. 600 Zeugen - je rund 300 für Anklage und Verteidigung - warten auf ihre Vernehmung.

"Ich bin davon überzeugt, dass dieses gesammelte Beweismaterial keinen Zweifel an der Schuld von Chodorkowski und Lebedjew lässt", machte Generalstaatsanwalt Juri Tschaika bereits Stimmung, ehe das Strafverfahren überhaupt begonnen hatte. Die Vorwürfe: Chodorkowski und Lebedjew sollen Erdöl im Wert von 892,4 Milliarden Rubel (20 Milliarden Euro) gestohlen, Geldwäsche in Höhe von 487,4 Milliarden Rubel (rund zehn Milliarden Euro) und weiteren 7,5 Milliarden Dollar betrieben haben. Zudem sollen sie Aktien von Yukos-Tochterunternehmen im Wert von 3,6 Milliarden Rubel unterschlagen und illegal "gewaschen" haben. Beiden droht eine Haftstrafe von mehr als 20 Jahren.

Robert Amsterdam, internationaler Anwalt von Michail Chodorkowski, sagt: "Das Verfahren gegen Michail Chodorkowski ist als politisch motivierter Schauprozess grundsätzlich abzulehnen und zu verurteilen", sagte er. Schon im Januar hatte das Verteidiger-Team Chodorkowskis bei der Staatsanwaltschaft beantragt, den Prozess gar nicht erst stattfinden zu lassen. In dem Antrag wurde eine Vielzahl von Verfehlungen aufgelistet: Mögliche Zeugen seien misshandelt, erpresst, bedroht und inhaftiert worden. Es seien geheime Verfahren abgehalten, Beweise unterschlagen und manipuliert worden. Zudem wurde die Unschuldsvermutung ignoriert, die Strafverteidiger der Angeklagten an ihrer Arbeit gehindert sowie Durchsuchungen und Beschlagnahmen ohne richterlichen Beschluss durchgeführt. Der Vorstoß blieb ergebnislos.

Schon der erste Prozess gegen den einst reichsten Mann Russlands, bei dem er zu acht Jahren Haft verurteilt worden war, wurde von Beobachtern als politische Verfolgung mit persönlicher Färbung charakterisiert. Dem Verfahren war ein Zusammenstoß zwischen dem jungen, sich seiner ökonomischen Macht allzu sicheren Ölbaron und dem ehrgeizigen Kremlchef Putin vorausgegangen. Chodorkowski hatte sich erdreistet, Angehörige der Kremlverwaltung öffentlich der Korruption zu bezichtigen. Putin, total verärgert, wies den Milliardär mit dem Hinweis in die Schranken, er solle lieber seine Steuern bezahlen. Das, so heißt es in Moskau, sei der Startschuss für die Hatz auf Chodorkowski gewesen. Der neue Prozess solle verhindern, dass der einstige Ölmagnat, der sich während seiner Haft mit einer Reihe von Zeitungsartikeln und Interviews ins politische Leben eingemischt hatte, in absehbarer Zeit freikommt.