In einem der kältesten Winter seit Jahren werden in weiten Teilen Europas die Heizkörper aufgedreht. Und Russland dreht den Gashahn in Richtung...

In einem der kältesten Winter seit Jahren werden in weiten Teilen Europas die Heizkörper aufgedreht. Und Russland dreht den Gashahn in Richtung Westen ab. Weil die Ukraine Schulden für Gaslieferungen in Milliardenhöhe nicht bezahlt, weil Kiew heimlich Gas abzapft, weil man sich nicht auf einen marktüblichen Preis einigen kann. So jedenfalls argumentiert Moskau. Es sei doch wohl nur legitim, als seriöser Lieferant gegenüber säumigen Zahlern Druck auszuüben. Pacta sunt servanda, Verträge sind einzuhalten.

Klingt ja gut, dennoch hat die Gaskrise mit den Regeln des zivilen Geschäftsgebarens wenig zu tun. Russland, die nach dem sowjetischen Totalschaden so oft gedemütigte Großmacht, setzt mit schöner Regelmäßigkeit seine Energiequellen dazu ein, unbotmäßige Nachbarn zu disziplinieren. Was Gazprom, weltweit größter Gasförderer und verlängerter Arm des Kreml, mit der westlich orientierten Ukraine macht, ist schlichtweg Erpressung. Entweder ihr vergesst die Annäherung an EU und Nato, oder der Hahn bleibt zu. Ähnliche Erfahrungen musste übrigens Georgien machen, allerdings hatte der Kreml in der Kaukasuskrise Panzer geschickt.

Wie stets duckt sich die EU, die 80 Prozent ihrer russischen Gaslieferungen über das Transitland Ukraine bezieht, auch diesmal kleinlaut weg. Weil es Europa an politischem Gewicht mangelt, weil Brüssel den russischen Bären nicht reizen will, weil jedes EU-Mitglied nationalen Interessen den Vorrang gibt, wenn es ums Eingemachte geht: um Öl und Gas. Mögen in Deutschland die Ölspeicher derzeit noch gut gefüllt sein: Die Bundesregierung muss sich nun endgültig von der Vorstellung verabschieden, dass Russland ein verlässlicher Lieferant von Energieträgern auch in Krisenzeiten ist. Die Mär von einem "lupenreinen Demokraten" im Kreml glaubt ja ohnehin niemand mehr.