Vordergründig scheint der russisch-ukrainische Gasstreit nur den banalen, herben Regeln der Marktwirtschaft zu folgen: Wer über ein Produkt verfügt,

Vordergründig scheint der russisch-ukrainische Gasstreit nur den banalen, herben Regeln der Marktwirtschaft zu folgen: Wer über ein Produkt verfügt, kann den Preis verlangen, den der Markt hergibt. Und wer dies nicht bezahlen will, bekommt eben nichts. Doch Russland setzt seine Gaspreise und die ukrainischen Außenstände nicht nur zum eigenen finanziellen Wohl, sondern auch als politische Waffe ein.

Zum einen, um die klamme, von der Finanzkrise schwer getroffene Ukraine zu disziplinieren. Zum anderen würde Moskau zu gern einen Keil zwischen Kiew und den Westen treiben.

Zum Verständnis: Die Kiewer Rus, ein mittelalterliches Großreich, war Keimzelle und Namensgeber Russlands und gilt den Russen als Herz ihrer Nation. Heute ist Kiew jedoch Hauptstadt der unabhängigen Ukraine, deren Beitritt zur Nato erwogen wird. Für die um Aufpolierung ihres Großmachtstatus bemühten Russen wäre eine Mitgliedschaft des zweitgrößten europäischen Landes in der Atlantischen Allianz strategisch höchst unerfreulich. Der Stopp der Gaslieferungen ist eine weitere Warnung an Kiew, sich nicht in eine Front gegen Moskau einzureihen - nachdem Wladimir Putin bereits damit gedroht hat, Atomraketen auf die Ukraine zu richten. Zugleich spielt Moskau mit dem Kalkül, die Ukrainer könnten sich, wie 2006 wohl geschehen, am Transit-Gas für die EU vergreifen - 80 Prozent läuft über ukrainisches Territorium. Dies würde die Herzen der EU-Verbraucher nicht eben für die ukrainischen Nachbarn erwärmen. Am Ende des Macht- und Preispokers wird es einen neuen Liefervertrag geben. Denn Russland will Gas verkaufen. Und die Ukraine benötigt Gas. Doch für Deutschland werfen die Querelen ungeachtet derzeit wohlgefüllter Speicher unbequeme Fragen nach dem Grad der Abhängigkeit von russischer Energie auf.