Seine erste Haftstrafe nähert sich dem Ende, jetzt hat in Moskau ein neuer Prozess gegen den früheren russischen Ölmilliardär Michail Chodorkowski begonnen. Diesmal angeblich wegen Untreue und Öldiebstahls.

Moskau. Fast sechs Jahre nach dem ersten Urteil gegen den früheren russischen Ölmilliardär Michail Chodorkowski hat in Moskau ein neuer Prozess gegen den 45-Jährigen begonnen. Chodorkowski wird diesmal beschuldigt, gemeinsam mit Geschäftspartnern über sechs Jahre hinweg umgerechnet rund 20 Milliarden Euro seines Ölkonzerns Yukos und verbundener Unternehmen unterschlagen zu haben. Chodorkowskis Anhänger halten den neuen Prozess wie auch schon den ersten für politisch motiviert. Einziges Ziel sei es, auf Wunsch von Moskaus Politspitze Chodorkowski weiter hinter Gittern zu halten.

Chodorkowski, der einst als reichster Mann Russlands mit einem Vermögen von 15 Milliarden Dollar galt, wurde 2003 in der Amtszeit von Präsident Wladimir Putin verhaftet und später wegen Steuerhinterziehung und Betrugs zu acht Jahren Haft verurteilt. Der von ihm aufgebaute Yukos-Konzern wurde zerschlagen und praktisch verstaatlicht. Chodorkowskis Anhänger halten die Vorwürfe der Wirtschaftsvergehen dagegen für einen Vorwand, um ihn für seine politischen Ambitionen abzustrafen, denn er kritisierte immer wieder die Politik des Kremls und unterstützte Putins Gegner finanziell. Damit hatte er eine eiserne Regel verletzt, die Putin im Jahr 2000 mit den Oligarchen vereinbart hatte: Ihr könnt eure Reichtümer behalten, wenn ihr euch aus der Politik heraushaltet. Wer dagegen verstieß, wurde ins Ausland gedrängt oder festgenommen.

Der einstige Milliardär und vierfache Vater sitzt nun Tausende Kilometer von Moskau entfernt in einem sibirischen Straflager. Für das neue Verfahren wurde er in die Moskauer Haftanstalt Matrosenruhe gebracht. Viele betrachten das neue Verfahren als Test für die russische Justiz und dafür, wie es der neue Präsident Dimitri Medwedew mit dem Rechtsstaat hält. Bislang hat dieser aber noch nicht die Politik Putins geändert. Viele politische Beobachter halten Putin weiter für den eigentlichen starken Mann Russlands, der im Hintergrund die Fäden zieht. "Solange Putin und seine Leute den Kreml kontrollieren, werden sie alles tun, um Chodorkowski so lange wie möglich im Gefängnis zu halten", erklärte Chodorkowskis Geschäftspartner Leonid Nevzlin, der in Israel lebt. "Wie schon beim ersten Prozess sind die Vorwürfe haltlos, und das Ergebnis ist auch klar."

Neben Chodorkowski erschien auch sein früherer Partner Platon Lebedew vor Gericht, der ebenfalls zu acht Jahren Haft verurteilt wurde. Bei der Anhörung ging es konkret um den Vorwurf, der Firmenschef habe seinerzeit im Einvernehmen mit Investoren eine Yukos-Niederlassung um 3,6 Milliarden Rubel (80 Millionen Euro) geprellt.

Vor dem Gericht in Moskau versammelten sich rund ein Dutzend Demonstranten, die "Schande" und "Freiheit für politische Gefangene". Die Polizei nahm mehrere Personen wegen Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung fest. Chodorkowski