Er war einst der reichste Mann Russlands und der Chef des Öl-Imperiums Yukos. Bis der Staat den Konzern zerschlug und Michail Chodorkowski wegen Betrugs wegsperrte. Ein sibirisches Gericht verweigerte ihm heute die Bewährung.

Tschita. Der frühere russische Tycoon Michail Chodorkowski muss in Haft bleiben. Ein Gericht in Tschita in Sibirien lehnte am Freitag das Gnadengesuch des 45-Jährigen ab, der eine achtjährige Haftstrafe wegen Betrugs und Steuerhinterziehung verbüßt. Der einstige Chef des vom Staat zerschlagenen Öl-Imperiums Yukos habe nicht am angebotenen Umerziehungsprogramm teilgenommen und verdiene es daher nicht, auf Bewährung entlassen zu werden, befand Richter Igor Falilijew. Chodorkowski und sein Anwalt Juri Schmidt werteten die Entscheidung als Beleg für ein Ausbleiben der von Präsident Dmitri Medwedew versprochenen Reform des Rechtssystems.

Der einst reichste Mann Russland verfolgte die Verkündung des Richterspruchs äußerlich unbewegt. Der mit Jeans und einem braunen Mantel bekleidete Chodorkowski saß während der Verhandlungen in einem Käfig und wurde von zehn Vollzugsbeamten bewacht, die unter anderem mit einem Elektroschock-Gerät und einem Schnellfeuergewehr bewaffnet waren. Unmittelbar nach dem Urteilsspruch wurde Chodorkowski mit Handschellen gefesselt und aus dem Gerichtssaal geführt.

"Das Rechtssystem lässt sich nicht schnell reformieren. Das weiß ich seit langem", sagte Chodorkowski beim Verlassen des Saals zu Journalisten. Verteidiger Schmidt äußerte sich enttäuscht. Chodorkowskis Gnadengesuch sei ein Testfall für Medwedews Zusage, das Rechtssystem zu reformieren. "Die heutige Entscheidung zeigt, dass die Kluft zwischen den Absichten des Präsidenten und ihrer Verwirklichung nicht kleiner geworden ist, die Kluft bleibt sehr groß", sagte Schmidt und kündigte Rechtsmittel an.

Der Geheimdienst FSB hatte Chodorkowski 2003 verhaftet und damit Schockwellen in der russischen Geschäftswelt ausgelöst. Zwei Jahre später wurde der ausgebildete Chemiker zu der Haftstrafe verurteilt, die er im 7000 Kilometer östlich von Moskau gelegenen Tschita an der chinesischen Grenze verbüßt. Chodorkowski sieht sich als Opfer korrupter Gefolgsleute des früheren Präsidenten und heutigen Ministerpräsidenten Wladimir Putin, die sein Firmenimperium zerschlagen wollten und seine politischen Ambitionen gefürchtet hätten. Aus Sicht der Regierung wurde er zu Recht wegen schwerer Straftaten verurteilt. Chodorkowski hat die Vorwürfe stets zurückgewiesen.

Im Juni beschuldigte die Staatsanwaltschaft Chodorkowski der Unterschlagung und der Geldwäsche von nahezu 21 Milliarden Dollar. Das könnte ihm weitere Jahre in Haft eintragen.