Premier schmälert Chancen auf EU-Beitritt mit seiner scharfen Kritik am Kabinett Olmert. Israelische Touristen stornieren massenweise Türkei-Reisen. Bilder aus Davos.

Hamburg/Washington. Der Eklat um die anti-israelischen Ausfälle des türkischen Regierungschefs Recep Tayyip Erdogan auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Davos weitet sich aus. Erdogan sagte dem US-Nachrichtenmagazin "Newsweek", Palästina sei "ein Freiluft-Gefängnis". Die radikalislamische Hamas sei eine politische Partei und nicht der verlängerte Arm Irans, meinte Erdogan weiter. Wenn die Welt der Hamas die Chance gegeben hätte, eine politische Rolle zu spielen, wäre sie nicht in der Lage, in der sie jetzt sei. Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad dankte Erdogan für seine Worte. Er habe nur das ausgesprochen, was "die Türken, die Menschen in der Region und in aller Welt denken".

Am Sonntag traf eine hochrangige Hamas-Delegation in Teheran ein, um mit der iranischen Führung - dem obersten geistlichen Führer Ali Khamenei und Präsident Ahmadinedschad - über eine weitere Unterstützung für die radikale Gruppe zu verhandeln. Derweil sprach sich der Sondergesandte des Nahost-Quartetts, der frühere britische Premier Tony Blair, für eine Einbindung der Hamas in den Friedensprozess aus.

Erdogan hatte in Davos wutentbrannt den israelischen Präsidenten Schimon Peres persönlich wegen der Gaza-Operation massiv attackiert und gesagt: "Vom Töten versteht ihr ja etwas." Er war dafür in der Türkei und in islamischen Staaten frenetisch gefeiert worden.

Er würde sich zwar gegen jeden wenden, der türkischen Juden etwas antun wolle, sagte Erdogan gegenüber "Newsweek", aber "ich werde (den israelischen Ministerpräsidenten Ehud) Olmert nicht gerade bitten, meine Reden zu schreiben".

Die israelische Außenministerin Zipi Livni forderte von Erdogan mehr Respekt für ihr Land.

Erdogans Auftritt in Davos könnte schwerwiegende politische Konsequenzen haben. Wie die israelische Zeitung "Haaretz" berichtete, sind hochrangige EU-Diplomaten aufgebracht wegen Erdogans Unterstützung der Hamas. "Erdogan will, dass die Türkei Teil der Europäischen Union wird - das kann er jetzt vergessen", zitierte "Haaretz" einen EU-Diplomaten.

Aber auch die Beziehungen zwischen Israel und der Türkei haben bereits massiv gelitten: Israels Touristen, für die die Türkei das liebste Auslandsziel darstellt - 500 000 Israelis fuhren 2008 dorthin -, haben ihre Reisen nach dem Eklat von Davos in bislang nicht gekanntem Ausmaß storniert. Die "Jerusalem Post" berichtete von einem Rückgang der Flugbuchungen um gut 70 Prozent.