Judenfeindliche Tendenzen vor allem bei männlichen arabischen, türkischen und kurdischen Jugendlichen zu beobachten. Muslime identifizieren sich vor dem Hintergrund des Nahostkonflikts mit den Palästinensern. Mehr antisemitische Straftaten registriert.

Hamburg. Antisemitismus bei deutschen Muslimen ist aus Sicht des Grünen-Vorsitzenden Cem Özdemir ein ernst zu nehmendes Problem. Man müsse leider zur Kenntnis nehmen, "dass es antisemitische Denkweisen nicht nur am rechten Rand oder bei linken sogenannten Anti-Imperialisten gibt, sondern auch in der muslimischen Community, insbesondere bei männlichen arabischen, türkischen und kurdischen Jugendlichen", sagte Özdemir der "Frankfurter Rundschau".

Hintergrund ist die Veröffentlichung "Die Juden sind schuld" der Amadeu-Antonio-Stiftung, die Einstellungen unter den drei Millionen Muslimen in Deutschland unter die Lupe nimmt und auch Gegenmaßnahmen diskutiert. Die Autoren verweisen auf die steigende Zahl von antijüdischen Straftaten, für die muslimische Tatverdächtige verantwortlich gemacht werden. Für 2006 seien 88 solcher Taten registriert worden, 100 Prozent mehr als im Jahr davor.

Ein spektakulärer Einzelfall war der von muslimischen Jugendlichen verübte Brandanschlag auf die Düsseldorfer Synagoge im Oktober 2000. In anderen europäischen Ländern, etwa in Frankreich, seien ähnliche Tendenzen zu verzeichnen.

Nach einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion haben die Behörden in den letzten drei Monaten 2008 fast 300 antisemitische Straftaten registriert.

Eine erhebliche Rolle wird dem Nahostkonflikt zugeschrieben, auf den auch Özdemir verwies. Aus Sicht des Grünen-Politikers identifizieren sich türkische Jugendliche mit den Palästinensern, weil sie sich "sich in dieser Gesellschaft als marginalisiert empfinden". Daher zeigten sie "eine Überidentifikation mit dem Konflikt im Nahen Osten".

Aber auch die Zunahme von gefärbten oder einseitigen Informationen über Satelliten-Fernsehstationen oder Websites aus dem arabischen Raum führen Experten an. In der Broschüre wird zudem auf die Verbreitung antijüdischer Verschwörungstheorien verwiesen, die unter anderem in der Türkei kursieren.