Teheran. Einst ließ sich der jugendliche Geistliche mitreißen vom islamischen Feuer, das Ayatollah Khomeini 1979 im Iran entfachte. Heute bekennt sich Mohammed Bakr al-Hakim, unterdessen selbst Ayatollah, entschieden zu Pluralismus, zu Demokratie, zu freier Entscheidung der Mehrheit. In seinem Teheraner Hauptquartier ist der graubärtige Mann mit den blitzenden braunen Augen unter dem schwarzen Turban in diesen Tagen ein begehrter Gesprächspartner. Die Kontrollen sind streng. Besucher dürfen nur Bleistift und Papier, höchstens noch ein Taschentuch bei sich tragen. Hakim zählt zu Saddam Husseins Erzfeinden. Der Führer des Hohen Rates für die Islamische Revolution im Irak (Sciri), eines Dachverbands mehrerer, einst sehr radikaler islamistischer Oppositionsgruppen, genießt seit mehr als zwei Jahrzehnten den Schutz der iranischen Geistlichkeit. Fünf seiner Brüder und mehr als 40 andere Familienmitglieder fielen Saddams Häschern zum Opfer. Sciri ist die stärkste schiitische Oppositionskraft des Irak. Und sie kommandiert neben den Kurden die einzige militärische Streitkraft der irakischen Opposition. Die Badr-Brigaden verfügen über 8000 bis 10 000 Mann und können laut Sciri im Ernstfall bis zu 40 000 bewaffnete Schiiten zum Einsatz bringen. Seit ihrer Gründung 1982 wird die Miliz von iranischen Revolutionsgardisten ausgebildet, mit Waffen versorgt und von den iranischen Revolutionären indoktriniert. Deshalb wohl wies Sciri entschieden das Angebot der USA zurück, auch junge Männer aus ihren Reihen, gemeinsam mit anderen irakischen Oppositionellen, in Ungarn für den militärischen Einsatz gegen eines der brutalsten Regime des 21. Jahrhunderts auszubilden. Dennoch haben sich Hakims Ansichten und Strategie in den vergangenen Monaten deutlich gewandelt. Kontakte mit der einst so verhassten Supermacht USA Im August entsandte er seinen Bruder zu einem Treffen der irakischen Opposition in die USA, und seither bestehen regelmäßige Kontakte mit der einst so gehassten Supermacht. Offen gesteht der Ayatollah ein, dass die Amerikaner heute dasselbe Ziel verfolgten wie er und dass deshalb eine Art von Kooperation durchaus möglich sei. Aber: "Wir sind entschieden gegen jede Art von militärischer Operation, gegen Krieg, da er dem irakischen Volk allzu großes Leid zufügen würde und große Gefahren für die gesamte Region birgt", sagt Hakim. Vielmehr sollte die internationale Gemeinschaft den Irak weit stärker unter diplomatischen Druck setzen. Wenn der Diktator aber weiterhin nicht ernsthaft kooperiere, sei militärische Gewalt wohl doch die einzige Lösung. Und seine Badr-Brigaden halten sich dafür schon bereit. Mit schweren Waffen haben sie in den vergangenen Wochen Positionen im Nord-Irak bezogen. Hakims Milizionäre könnten, gemeinsam mit den Kurden vom Norden her die irakische Armee unter Druck setzen. Und wie soll Iraks Zukunft aussehen? Eine islamische Republik nach iranischem Vorbild ist nicht mehr Hakims Ideal. "Gemeinsam mit allen Oppositionskräften wollen wir eine demokratische Regierung bilden. Diese soll den Islam und seine Werte respektieren und alle ethnischen und religiösen Gruppen repräsentieren." Und wenn im Irak wieder Sunniten den Ton angeben? "Wir werden uns dem demokratischen Willen der Mehrheit beugen", betont der Ayatollah milde.