Russland stellt sich weiter schützend vor Präsident Assad. Die USA denken erstmals laut über eine Intervention ohne UN-Mandat nach.

New York/Damaskus/Istanbul. Die internationale Gemeinschaft und die syrischen Rebellen drohen dem syrischen Regime mit einer härteren Gangart. US-Botschafterin Susan Rice erklärte nach einer Unterredung im UN-Sicherheitsrat am Mittwochabend (Ortszeit), falls die Gewalt weiter zunehmen sollte, müsse man notfalls auch ohne UN-Resolution eingreifen. „Mitgliedern dieses Rates und der internationalen Gemeinschaft wird dann nichts anderes übrigbleiben, als zu überlegen, ob sie bereit sind, Maßnahmen zu ergreifen, außerhalb des Annan-Plans und ohne die Führung dieses Rates“, sagte Rice in New York. Bisher blockiert im UN-Sicherheitsrat vor allem die Vetomacht Russland Zwangsmaßnahmen gegen Syrien.

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Die Armee der Deserteure kündigte Angriffe an, falls das Regime von Präsident Baschar al-Assad nicht bis Freitag seine schweren Waffen aus den Städten und Dörfern abziehen sollte. Ein Rebellenkommandeur aus der Provinz Homs sagte, nach dieser Frist würden sich auch die Deserteure nicht mehr an den Friedensplan von UN-Vermittler Kofi Annan gebunden fühlen.

In Kalifornien hatte sich aus Protest gegen die jüngsten Gräueltaten der syrische Honorarkonsul Hasim Schehabi vom Regime losgesagt. In einem Radiointerview sagte Schehabi, der ein Kindheitsfreund von Assad ist, er habe sein Amt niedergelegt, weil er nicht durch Schweigen zum Komplizen werden wolle.

Die amerikanische UN-Botschafterin Rice zeigte sich nach der vertraulichen Unterredung des Sicherheitsrates mit Jean-Marie Guéhenno, dem Stellvertreter von Syrien-Sondervermittler Kofi Annan, pessimistisch. „Es gibt drei Möglichkeiten: Die erste ist, dass Assad endlich einlenkt. Die zweite ist, dass der Druck des Sicherheitsrates zu einer Lösung führt“, sagte Rice. „Doch die dritte ist die schlimmste und leider momentan auch wahrscheinlichste: dass die Gewalt weiter zunimmt und sich über die ganze Region erstreckt.“

Aktivisten meldeten, am Donnerstag hätten die Regierungstruppen erneut die Ortschaft Al-Hula in der Provinz Homs angegriffen, wo am vergangenen Freitag mehr als 110 Zivilisten durch Artillerie und Milizenterror starben. Ein Jugendlicher sei von den Regierungstruppen erschossen worden.

Ein lokaler Kommandeur der von Deserteuren gegründeten oppositionellen Freien Syrischen Armee aus Homs sagte im Nachrichtensender Al-Arabija, es gebe Anzeichen für einen bevorstehenden Angriff auf zwei Dörfer in der Nähe von Al-Hula. In diesen Dörfern hätten nach dem Massaker der vergangenen Woche zahlreiche Zivilisten aus Al-Hula Zuflucht gesucht.

Am Mittwoch hatten die Regimegegner landesweit 48 Todesopfer gezählt. Aktivisten berichteten in der Nacht zum Donnerstag von Angriffen auf die Rebellenhochburg Al-Rastan bei Homs. In einer nicht-repräsentativen Umfrage von Oppositionellen zu den Gefahren der Zeit nach dem Sturz von Assad erklärten die meisten Befragten, ihre größte Sorge seien die Waffen der Rebellen. An zweiter Stelle stand die Angst vor willkürlichen Racheakten. (abendblatt.de/dpa)