Auch während des Eurovision Song Contest nimmt die Polizei in Baku täglich Oppositionelle fest und unterbindet somit die Proteste.

Baku. Die Unruhen gehen weiter: Zahlreiche Festnahmen haben erneut den Eurovision Song Contest (ESC) im autoritär regierten Aserbaidschan überschattet. Mindestens 20 Regierungsgegner seien festgenommen worden, als sie vor dem Gebäude des Staatsfernsehens für Pressefreiheit und gegen einseitige Berichterstattung demonstrieren wollten, schrieb das Internetportal "contact.az“ am Donnerstag. Einige Quellen sprachen von bis zu 35 Festnahmen. Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning, forderte die Ex-Sowjetrepublik im Südkaukasus nochmals auf, die Menschenrechte einzuhalten.

Den Ankündigungen müssten endlich Taten folgen, sagte der FDP-Politiker den "Ruhr Nachrichten“ (Donnerstag). Es sei aber gut, dass der ESC in Baku stattfinde und "sich der Blick der breiten europäischen Öffentlichkeit jetzt auf Aserbaidschan richtet“. Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) forderte Präsident Ilcham Alijew zu einer Amnestie für die derzeit angeblich 62 politischen Gefangenen auf. Amnesty International prangerte in seinem am Donnerstag veröffentlichten Jahresbericht schwere Menschenrechtsverletzungen in dem Land an.

+++ Zweites ESC-Halbfinale mit 18 weiteren Kandidaten +++

Aserbaidschan kritisierte unterdessen in einer Mitteilung der Botschaft in Berlin die Berichterstattung vor allem in deutschen Medien als einseitig. Positive Fakten über die Entwicklung des Landes am Kaspischen Meer würden unterschlagen. Zudem erwähne die Presse nicht die "völkerrechtswidrige Besetzung“ des Gebietes Berg-Karabach durch das verfeindete Nachbarland Armenien. Aserbaidschanische Oppositionelle hatten im Vorfeld des ESC davon gesprochen, dass der Konflikt um Berg-Karabach von beiden Länder immer wieder vorgeschoben werde, um Beschneidungen der Freiheitsrechte zu rechtfertigen.

+++ Grand Prix in Baku zwischen Show und Kritik +++

In Baku ging die Polizei am Donnerstag nach Oppositionsangaben mit großer Härte gegen Demonstranten vor. Der Ort der nicht erlaubten Kundgebung sei bereits Stunden zuvor abgeriegelt worden. Mindestens drei führende Oppositionsvertreter seien bereits lange vor der Aktion in Gewahrsam genommen worden, berichtete "contact.az“. Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Viola von Cramon verurteilte die Festnahmen scharf. Menschenrechtler werfen Präsident Alijew seit langem Vetternwirtschaft sowie Unterdrückung der Meinungs- und Pressefreiheit vor.

Der Eurovision Song Contest steuerte derweil mit dem zweiten Halbfinale am Donnerstagabend auf seine entscheidende Phase zu. Dabei wurden die letzten zehn der insgesamt 26 Finalteilnehmer gesucht. "Unser Star für Baku“, Roman Lob (21, "Standing Still“), ist bereits für das Finale am Samstagabend gesetzt. Und der Grand-Prix-Experte Irving Wolther (42) stellte ihm nach den ersten Proben in Baku ein gutes Zeugnis aus. "Roman macht sich in meinen Augen überraschend gut“, sagte der auch "Dr. Eurovision“ genannte Dozent der Hochschule für Musik, Theater und Medien in Hannover der Deutschen Presse-Agentur in Baku. "Durch die Kameraführung kommt auch der Welpenblick des Teenager-Schwarms richtig zur Geltung. Viele Teenager auch in Aserbaidschan schmelzen dahin.“ (dpa)