Kameras sollen einen gehetzten IWF-Chef zeigen, danach soll er “in Panik“ angerufen haben, weil er sein Handy im Zimmer vergessen hatte.

New York. Während Strauss-Kahn im Gefängnis Rikers Island sitzt und immer mehr Rücktrittsforderungen laut werden, kommen Einzelheiten zu den Geschehnissen und dem betreffenden Tag an Licht. Der IWF-Chef habe das Hotel gehetzt verlassen, berichten US-Behörden unter Bezug auf Überwachungsaufnahmen. Bevor die Polizei dort eintraf, sei er bereits weg gewesen. Er hatte jedoch sein Handy in dem Hotel vergessen, weshalb er dort den Angaben zufolge „in Panik“ anrief. Das Personal habe das Handy zwar nicht gefunden, sei von der Polizei jedoch angewiesen worden, den Mann in eine Falle zu locken. Sie gaben vor, das Mobiltelefon zu haben, und sich mit ihm treffen zu können. Daraufhin habe Strauss-Kahn gesagt, er sei am Flughafen.

Der Druck auf IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn steigt: Während dessen Anwalt erklärte, die Ergebnisse der forensischen Untersuchung würden Strauss-Kahn letztlich vom Vorwurf der versuchten Vergewaltigung entlasten, wurden am Dienstag Rücktrittsforderungen laut. Der sozialistische Präsidentschaftsanwärter sitzt auf einer Gefängnisinsel im East River von New York in Untersuchungshaft. Die Haftrichterin hatte am Montag Strauss-Kahns Antrag auf Freilassung gegen Kaution abgelehnt.

Die österreichische Finanzministerin Maria Fekter forderte Strauss-Kahn, in Frankreich kurz DSK genannt, am Dienstag indirekt zum Rücktritt auf. Da die New Yorker Richter eine Freilassung auf Kaution abgelehnt hätten, „muss er sich selbst überlegen, dass er ansonsten der Institution Schaden zufügt“. Ihre spanische Kollegin Elena Salgado sagte, die Entscheidung über einen Rückzug vom Internationalen Währungsfonds (IWF) „kann nur Strauss-Kahn treffen“.

Die französischen Zeitungen „Le Parisien“ und „Liberation“ machten am Dienstag mit der Schlagzeile „K.O.“ über ganzseitigen Fotos eines unrasierten Strauss-Kahn im New Yorker Gerichtssaal auf. Andere zeigten mehr Mitleid mit dem IWF-Chef, der im Fernsehen zu sehen war, wie er in Handschellen abgeführt wurde. Der luxemburgische Ministerpräsident Jean-Claude Juncker zeigte sich erschüttert.

Anhänger Strauss-Kahns vermuten eine Schmutzkampagne gegen den IWF-Chef, der bis zu dem Zwischenfall am Wochenende als wahrscheinlicher Herausforderer von Präsident Nicolas Sarkozy galt. Dieser drängte seine konservativen Parteikollegen Medienberichten zufolge, ihre Freude nicht allzu unverhohlen zu zeigen. Nach Strauss-Kahns Festnahme kann Sarkozy wieder auf steigende Umfragewerte hoffen, zumal sein Vater in einem Interview mit der Bild-Zeitung am Dienstag verriet, dass Präsidentengattin Carla Bruni-Sarkozy tatsächlich schwanger sei.

Aber auch die Parteichefin der Sozialisten, Martine Aubry, könnte von Strauss-Kahns Festnahme profitieren. Sie galt in französischen Medien bislang als „Anti-DSK“ und wurde mit Bundeskanzlerin Angela Merkel verglichen – ein Umstand, der ihr nun helfen könnte. Meinungsumfragen zufolge könnte Aubrys Vorgänger, Francois Hollande, von dem Sex-Skandal aber noch mehr profitieren.

Staatsanwaltschaft und Verteidigung hoffen nun darauf, dass die Ergebnisse der forensischen Untersuchung ihre Version der Ereignisse untermauern wird. Das Zimmermädchen, das Strauss-Kahn unter anderem der versuchten Vergewaltigung beschuldigt, schilderte die Vorfälle laut Polizei so: Sie habe Strauss-Kahns Penthouse Suite am Samstagnachmittag sauber machen wollen und erwartet, diese leer vorzufinden. Stattdessen sei Strauss-Kahn nackt aus dem Badezimmer gekommen, habe sie durch den Flur verfolgt und in ein Schlaf- und später in ein Badezimmer gezerrt. Er habe ihre Brüste angefasst, versucht, ihr die Hose herunterzuziehen, ihr zwischen den Schritt gefasst und sie zu Oralsex gezwungen. Schließlich habe sie sich befreien können und ihre Kollegen informiert. Die 32-Jährige wurde wegen leichter Verletzungen im Krankenhaus behandelt.

Strauss-Kahn hatte am späten Sonntagabend einer forensischen Untersuchung zugestimmt. Seinem Anwalt Benjamin Brafman werden die Ergebnisse nach Auffassung der Verteidigung belegen, dass keine Gewalt angewendet worden sei. Strauss-Kahn erwäge, Einspruch gegen die Ablehnung auf Freilassung gegen Kaution einzulegen.

Der IWF-Chef muss bis zum nächsten Anhörungstermin am Freitag im Gefängnis von Rikers Island bleiben. Im Falle einer Verurteilung drohen ihm bis zu 25 Jahre Freiheitsstrafe. Ein Antrag auf Freilassung gegen eine Kaution von einer Million Dollar wurde am Montag von der Haftrichterin wegen Fluchtgefahr abgelehnt.

Der stellvertretende Bezirksstaatsanwalt McConnell sagte am Montag im Gericht, die New Yorker Behörden hätten Ermittlungen gegen Strauss-Kahn in mindestens einem weiteren, ähnlich gelagerten Fall eingeleitet. Er glaube, dass es um einen Vorfall im Ausland gehe. Am Montag hatte eine französische Journalistin und Schriftstellerin Strauss-Kahn beschuldigt, sie 2002 sexuell belästigt zu haben.

Der IWF-Chef sitzt in Rikers Island, eine der größten Strafanstalten der USA, anders als die meisten dortigen Häftlinge in einer Einzelzelle. Die übrigen Insassen bewohnen größtenteils mit 50 Mann besetzte Baracken. Auch seine Mahlzeiten wird der IWF-Chef alleine einnehmen dürfen. Wenn er seine Zelle verlässt, wird er von Wachmännern eskortiert.

Die Strafanstalt ist für zahlreiche Auseinandersetzungen zwischen Insassen und Wärtern bekannt. In einem der prominentesten Fälle wurde ein Wärter zu sechs Jahren Haft verurteilt, weil er Insassen als Teil einer nicht genehmigten Disziplinarmaßnahme befahl, einen anderen Häftling zu verprügeln.