Präsident Obama trifft Angehörige von Opfern und kündigt weitere Einsätze an

New York/Islamabad. "Wir können die Freunde, die wir verloren haben, nicht zurückbringen." Barack Obama sagt diese Worte in der Feuerwache "Pride of Midtown" in New York. 15 Feuerwehrleute der Wache hatten am 11. September 2001 ihr Leben verloren, als die Zwillingstürme des World Trade Centers nach den Terroranschlägen des Terrornetzwerks al-Qaida einstürzten. Die Tötung von Al-Qaida-Chef Osama Bin Laden habe nun eine Botschaft um die Welt geschickt, sagt Obama den Kameraden der Getöteten. "Als wir sagten, wir werden niemals vergessen, meinten wir das auch so." Danach fährt der Präsident zur Kranzniederlegung am Ground Zero in Manhattan - dem Ort, an dem die Türme standen.

In der Nacht zum Montag hatte ein US-Sonderkommando Bin Laden, der als Hauptdrahtzieher der Anschläge gilt, in seinem Unterschlupf in Pakistan getötet. Obamas Sprecher Jay Carney sagte, der Präsident halte die Reise zur Gedenkstätte in New York nach der "erfolgreichen Mission" für "angemessen". Der "bittersüße" Besuch am Ground Zero solle den US-Bürgern helfen, das Kapitel der Terroranschläge mit rund 3000 Toten nach zehn Jahren zu schließen.

Und trotz der wachsenden Spannungen mit Pakistan schließt Obama weitere militärische Einsätze gegen Terrorverdächtige in dem Land nicht aus. Obama behalte sich das Recht vor, gegen Terroristen vorzugehen, die sich in Pakistan aufhielten, sagte Carney. Obama habe bereits während des Präsidentschaftswahlkampfs deutlich gemacht, dass er Einsätze in Pakistan anordnen würde, wenn dort Terrorverdächtige aufgespürt würden. Seit seinem Amtsantritt hatte er den Einsatz unbemannter Drohnen in Pakistan verstärkt; seitdem wurden bei mehr als 100 Drohnenangriffen mehr als 670 Menschen getötet. Aufnahmen vom toten Osama Bin Laden will das Weiße Haus allerdings nun doch nicht freigeben. "Es ist uns sehr wichtig, dass sehr eindringliche Fotos von jemandem, der in den Kopf geschossen wurde, nicht zur Anstachelung weiterer Gewalt oder als Propaganda-Werkzeug im Umlauf sind", sagte Obama in einem Interview des Senders CBS. Es gebe keinen Zweifel, dass Bin Laden tot sei.

Unklar aber ist nach wie vor der genaue Hergang der Operation gegen Bin Laden. Nach den Worten einer US-Senatorin versuchte der Al-Qaida-Chef nach einer Waffe zu greifen, unmittelbar bevor er von Elitesoldaten erschossen wurde. Bin Laden sei dabei gewesen, "sich diese Waffen zu greifen. Da kann man kein Risiko eingehen", sagte die Vorsitzende des Geheimdienstausschusses im Senat, Dianne Feinstein, dem US-Sender CNN.

Die "New York Times" berichtet von einem "extrem einseitigen Gefecht" während der Kommandooperation. Die Navy SEALs seien nur ein einziges Mal beschossen worden, nämlich ganz zu Beginn der Aktion, schreibt die Zeitung unter Berufung auf US-Regierungsbeamte. Dabei habe ein Kurier Bin Ladens die Soldaten aus einem Gästehaus auf dem Gelände heraus unter Feuer genommen. Nachdem die Spezialkräfte den Kurier getötet hatten, "wurde nicht mehr auf die Amerikaner geschossen".

Geheimdienstexperten in den USA und Europa sind zudem überzeugt, dass Bin Laden Hilfe von pakistanischen Behörden hatte. "Es gibt keinen Zweifel, dass er von einigen innerhalb des (mächtigen pakistanischen Militär-Geheimdienstes) ISI beschützt wurde", zitiert das "Wall Street Journal" einen europäischen Geheimdienstmitarbeiter.

Nach der US-Aktion will auch die pakistanische Regierung den im Land vermuteten Taliban-Chef Mullah Omar sowie Al-Qaida-Vize Aiman al-Sawahiri fassen. Wie die Zeitung "The News" unter Berufung auf Sicherheitskreise berichtete, soll in nächster Zeit eine "massive Suchaktion" beginnen. Im Fokus stünden dabei die westpakistanische Stadt Quetta sowie die Stammesgebiete an der Grenze zu Afghanistan. Auch der Führungsrat der afghanischen Taliban unter Mullah Omar wird seit Langem in den pakistanischen Städten Quetta oder Karatschi vermutet. Zugleich hat die Regierung in Islamabad andere Staaten vor ähnlichen Alleingängen im Kampf gegen Terroristen gewarnt. Wenn ein Land glaube, es könne die USA nachahmen, dann schätze es die Lage in Pakistan völlig falsch ein, sagte Außenstaatssekretär Salman Bashir.

Er reagierte damit auf Aussagen ranghoher indischer Militärs. Diese hatten erklärt, auch Indien könne einen Militäreinsatz gegen Extremisten im Nachbarland führen. Auch Indien wirft Pakistan die Unterstützung von Terrorgruppen vor. So macht Neu-Delhi die aus dem Nachbarland operierende Gruppe Lashkar-e-Taiba für die Anschläge in der Finanzmetropole Mumbai verantwortlich, bei der Ende 2008 mehr als 170 Menschen getötet wurden. Bereits nach der Terrorserie war in Indien über gezielte Angriffe gegen islamistische Extremisten in Pakistan diskutiert worden.