Pakistans Premier Gilani verteidigt sein Land gegen weltweite Kritik. Islamisten schwören Rache für Tod von Bin Laden

Singapur. Warum aber konnte Osama Bin Laden so lange ungestört in Pakistan leben? Diese Frage macht der Regierung in Islamabad mehr denn je das Leben schwer. Und so sind die Mitglieder der Staatsführung gerade ausschließlich mit einer Aufgabe beschäftigt: Schadensbegrenzung.

"Unser Geheimdienst hatte die amerikanischen Kollegen schon vor einer ganzen Weile auf diese spezielle Örtlichkeit hingewiesen", beteuert Außenminister Salman Bashir nun. "Natürlich haben die die weitaus höher entwickelte Ausrüstung, um die Informationen auszuwerten und zu nutzen", rechtfertigte Bashir sein Land in einem Interview der BBC. Auch Premierminister Yousuf Raza Gilani verteidigt Pakistans unrühmliche Rolle im Fall Bin Laden: "Alle Geheimdienste der Welt haben versagt", erklärte Gilani während eines Staatsbesuchs in Frankreich, "nicht nur Pakistan allein."

Gleichzeitig werden die Sicherheitskräfte Pakistans aktiv. Die Polizei verhaftete den für die Errichtung des Unterschlupfes verantwortlichen Bauunternehmer. Die Behörden wollten herausfinden, ob das Anwesen mit dem dreistöckigen Wohnhaus und der hohen, befestigten Umfriedung eigens als Al-Qaida-Versteck konstruiert worden sei, so ein Polizeisprecher. Auch fahnden die Sicherheitskräfte nach dem Eigentümer, der den Bau vor sieben Jahren in Auftrag gegeben haben soll.

Wie zerrissen das Land ist, zeigt sich in den unterschiedlichen Reaktionen auf die Ereignisse. Viele Bürger sind beschämt: die einen über das klägliche Bild, das Pakistans Regierung, Armee und Geheimdienst bei der Tötung Bin Ladens abgeben, die anderen, weil ihre Heimat der "Missachtung der Souveränität Pakistans durch die Amerikaner", die auf ihrem Territorium eigenmächtig eine Kommandoaktion durchgeführt haben, nichts entgegensetzen konnte. Und die Islamisten im Land haben neuen Zulauf.

In mehreren Städten Pakistans gingen gestern zum Beispiel die Anwälte auf die Straße. Sie protestierten gegen die Tötung Osama Bin Ladens, wetterten gegen die USA und beteten gar für ihren "Helden". In Abbottabad waren es rund 70 Juristen, die so ihre Ansichten auf die Straße trugen. "Wir verurteilen den Terrorismus", so der Präsident der örtlichen Anwaltskammer, Tahir Faraz Abbasi, "aber wir können die Verletzung unserer Souveränität nicht akzeptieren." In Peshawar waren es gar über 200 Anwälte. Sie sprachen Gebete für den toten Terrorchef: "Osama war ein muslimischer Held", erklärt der populäre Anwalt Ghulam Nabi. "Er hat einen ,Heiligen Krieg' für die Moslems rund um die Erde geführt."

Amerika ist für immer mehr Pakistaner zum Feind geworden, und die Regierung in Islamabad muss sich wohl oder übel nach außen hin von ihrem großen Verbündeten distanzieren, um nicht noch weiter in Ungnade zu fallen. Entsprechend wenig gibt sie über Pakistans Kooperation bei dem Zugriff auf Bin Laden preis.

Inzwischen aber sind weitere Einzelheiten darüber durchgesickert. "Asia Times" zitiert anonyme Sicherheitskräfte, die zugeben, dass die Operation tatsächlich eine gemeinsame Aktion der US-Elitetruppen und Pakistans war. Die gesamte Logistik war demnach innerhalb Pakistans vorbereitet worden. Die pakistanische Armee hatte den vier US-Kampfhubschraubern grünes Licht für den Start vom Luftstützpunkt Tarbella Ghazi, 20 Kilometer von Islamabad entfernt, gegeben. Allerdings, so die Quelle, war es der pakistanischen Seite wohl tatsächlich nicht bewusst, wer da gejagt wurde.

Die Nachricht, dass Osama Bin Laden getötet worden war, habe dann auch bei Pakistans Militär "eingeschlagen wie eine Bombe", schreibt "Asia Times". Denn nun müsse es befürchten, dass die heimischen militanten Islamisten sich mit ihrer gesammelten Wut gegen Pakistan selbst richten werden. Die ersten Drohungen sind bereits gefallen: Die pakistanischen Taliban haben angedroht, den Tod Bin Ladens zu rächen. Pakistan, hat die Gruppe erklärt, sei von nun an ihr "Feind Nummer 1" - noch vor den USA.