Die Leichenhäuser sind überfüllt. Es gibt 400 Festnahmen, aber die Söldner von Christopher „Dudus“ Coke leisten erbitterten Widerstand.

Kingston/Washington. Die Zahl der Toten bei den Unruhen in Jamaika ist weiter gestiegen. Wie die Polizei des Karibikstaates mitteilte, kamen seit dem vergangenen Wochenende bei blutigen Kämpfen zwischen Drogenbanden und Sicherheitskräften in der Hauptstadt Kingston 73 Menschen ums Leben. Vize-Polizeichef Glenmore Hinds sagte, es seien auch drei Sicherheitskräfte getötet worden. Bewohner des Armenviertels Tivoli Gardens warfen den Beamten vor, zahlreiche Unbeteiligte getötet zu haben. „Nicht alle, die hier wohnen, sind schuldig! Viele Unschuldige sind getötet worden“, sagte eine Frau, die ihren Namen nicht nennen wollte, bei einem Besuch einer Journalistengruppe in Tivoli Gardens. Informationsminister Daryl Vaz kündigte eine Untersuchung des Polizeieinsatzes in dem Armenviertel an.

Nach Angaben von Vaz ist der gesuchte Drogenboss Christopher „Dudus“ Coke nicht unter den Toten. In Tivoli Gardens seien immer noch einzelne Gebiete nicht zugänglich, berichtete der „Jamaica Observer“. Dort hatte sich Coke mit seinen Anhängern verschanzt. Nach ihm und seinen Bandenmitgliedern wird nun im ganzen Land gesucht. Der Drogenboss soll an die USA ausgeliefert werden, weil er auch dort für Morde verantwortlich gemacht wird.

Unterdessen erschossen Polizisten bei der Suche nach den Pistoleros in einem anderen Stadtteil der Hauptstadt Kingston drei junge Männer in deren Haus, wie der „Jamaica Observer“ berichtete. Wegen der vielen Getöteten seien die Leichenschauhäuser überfüllt, hieß es. Eines von ihnen soll sogar einen Kühltransporter angemietet haben, um darin Leichen zu lagern, berichteten Medien. Ein Leichenschauhaus gab an, etwa 50 Getötete aufgenommen zu haben.

Augenzeugenberichten zufolge beruhigte sich die Lage am Mittwoch im Stadtzentrum der jamaikanischen Hauptstadt ein wenig. Premierminister Bruce Golding erklärte jedoch, er erwäge, den in West Kingston geltenden Ausnahmezustand auch auf Stadtteile im nahen Spanish Town auszudehnen. Auch dort hatte es in den vergangenen Tagen Zusammenstöße und Todesopfer gegeben.

Armee und Polizei waren bei ihrem Angriff auf Tivoli Gardens auf den erbitterten Widerstand bewaffneter Söldner und Anhänger Cokes gestoßen. Rund 400 Personen, meist junge Männer, wurden offiziellen Angaben zufolge festgenommen.

Die US-Regierung hat derweil ein Hilfsprogramm für die Bekämpfung von Drogenhandel und organisierter Kriminalität in Jamaika und anderen Karibik-Staaten angekündigt. Die Karibikstaaten würden bei der Verbrechensbekämpfung mit 45 Millionen Dollar (37 Millionen Euro) unterstützt, sagte der Lateinamerika-Beauftragte des US-Außenministeriums, Arturo Valenzuela vor Diplomaten. „Organisiertes Verbrechen, Drogenhandel, Waffenhandel, (...) Menschenhandel und Terrorismus bedrohen zunehmend die Stabilität der Region.“