Rom. Mit Aussagen zur Ukraine hat der Pontifex für Kritik und Spott gesorgt. Selbst Mitstreiter widersprechen – der Vatikan rudert zurück.

Die Wellen um missverständliche Papst-Äußerungen zum Krieg in der Ukraine schlagen hoch und bringen den Vatikan in Verlegenheit. „Wenn man sieht, dass man besiegt ist, dass es nicht gut läuft, muss man den Mut haben, zu verhandeln“, hatte Franziskus dem Schweizer TV-Sender RSI gesagt. Franziskus wurde auch zu Forderungen nach „Mut zur Kapitulation, zur weißen Fahne“ gefragt. Darauf antwortete er: „Ich denke, dass derjenige stärker ist, der die Situation erkennt, der an das Volk denkt, der den Mut der weißen Fahne hat, zu verhandeln. Man darf sich nicht schämen“.

Es gebe viele internationale Mächte, die vermitteln würden, so Franziskus weiter. Auch er selber sei dazu bereit. Dann betonte der Papst: „Die Verhandlung ist nie eine Niederlage“. Auch wenn die Pressestelle des Vatikans noch eilig versuchte, die Äußerungen des höchsten Kirchenoberhaupts zu relativieren, der Eklat ist enorm. Was steckt genau hinter den Worten des Pontifex? Und warum äußert er sich so klar für eine Kapitulation der Ukraine?

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Vatikan-Insidern zufolge ist Franziskus sehr besorgt über die vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron geäußerte Hypothese einer militärischen Intervention des Westens zur Unterstützung der Ukraine. Der vatikanische Staatssekretär, Kardinal Pietro Parolin, der wiederholt im Auftrag des Papstes in die Ukraine gereist ist, sprach zuletzt von einem „wirklich beängstigenden Szenario, einer Eskalation, die wir immer zu vermeiden versucht haben“. Aus diesem Grund rufe Franziskus eindringlich zu Friedensverhandlungen auf.

Ukraine-Krieg – Hintergründe und Erklärungen zum Konflikt

Ukraine: Franziskus fürchtet laut Vatikan einen Atomkrieg aus Versehen

Seit Jahren warne er vor einem „dritten Weltkrieg in Stücken“ an und befürchtet einen Atomkonflikt. „Diese Gefahr besteht wirklich. Ein Unfall reicht aus“, sagte Franziskus kürzlich. Analysten warnen davor, dass ein Sieg Russlands andere Diktaturen zu Angriffskriegen ermuntern könnte. Vatikan-Insider sehen die Lage anders. „Papst Franziskus sorgt sich und leidet mit dem ukrainischen Volk. Diejenigen, die sterben, sind die Ukrainerinnen und Ukrainer“, analysiert Professor Marco Mascia, Präsident des Zentrums für Menschenrechte „Antonio Papisca“ an der Universität Padua.

Mascia sagt: „Der Appell des Papstes kommt zu einer Zeit, in der der Krieg für die Ukraine eine ungünstige Wendung nimmt: Kiew ist in den Kriegsgebieten in Schwierigkeiten und auch die internationale Gemeinschaft lässt das Land im Stich. Die USA sind nicht mehr in der Lage, Waffen zu liefern. Auch die EU gibt zu, dass es keine Waffen mehr gibt.“

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Russland: Papst kündigte Reisen nach Moskau und Kiew an – dabei blieb es

Die Einrichtung eines internationalen Fonds für den Wiederaufbau der Ukraine mit einem entscheidenden Beitrag Moskaus sieht der Vatikan als machbar. In diesem Sinne entspreche die Aufforderung von Franziskus zu Friedensverhandlungen der Stimmung eines großen Teils der öffentlichen Meinung und der Geschäftswelt in Europa und den USA, die es für sinnlos hält, in einem Krieg wirtschaftlich auszubluten, verlautet es im Vatikan.

Eine Tatsache bleibt, dass Franziskus in den gegenwärtigen Konflikten ungeschickt agiert. Schon mehrfach hat er sich mit Äußerungen zu Gaza oder zum Ukraine-Krieg Kritik zugezogen. Lange hat er vermieden, den Aggressor Wladimir Putin beim Namen zu nennen. Reisen des Papstes nach Moskau und/oder Kiew wurden zwar angekündigt, aber nie realisiert.