Berlin. Russische Staatsmedien berichten, dass Alexander Graf Lambsdorff ins Außenministerium zitiert wird. Doch der Termin ist lange geplant.

Als Alexander Graf Lambsdorff am Montagvormittag zu einem Gespräch im russischen Außenministerium eintraf, war die Aufregung in Deutschland groß. Hatte der Kreml den deutschen Botschafter in Russland nach der Veröffentlichung eines abgehörten Gesprächs von Bundeswehroffizieren über mögliche Taurus-Lieferungen offiziell einbestellt? Das behauptete die russische Nachrichtenagentur Tass mit Verweis auf anonyme Quellen. Dem widersprach Lambsdorff.

Der Termin sei lange geplant gewesen, erklärte der Botschafter der Deutschen Presseagentur – nachdem er das Außenministerium wieder verlassen hatte. Wörtlich sagte er: „Es gab eine Einladung zum Gespräch über verschiedene bilaterale Themen“. Es habe sich aber nicht um eine Einbestellung gehandelt. Worüber genau gesprochen wurde, wollte der Botschafter nicht mitteilen.

Lesen Sie auch: So rüstet sich Lambsdorff für Russland – und Wladimir Putin

Einladung, Einbestellung – die Sprache der Diplomatie ist schwierig. Es kommt auf Nuancen an. Ob der höchste Vertreter eines Landes im Ausland zu einem Gespräch gebeten oder einbestellt wird, macht einen Unterschied. Eine Einladung ist eine höfliche Bitte um ein Treffen, sie soll förmlich Gesprächsbedarf zum Ausdruck bringen. Eine Einbestellung des Botschafters ist ein deutlich schärferes Instrument. Es ist ein Zeichen deutlicher Missstimmung zwischen den Ländern. Noch drastischer ist nur noch die Ausweisung eines Diplomaten oder – am Ende der diplomatischen Eskalationsstufen – der Abbruch der diplomatischen Beziehungen.

Deutsch-russische Beziehung ist seit dem Ukraine-Krieg extrem gestört

Die russisch-deutschen Beziehungen sind im Zuge des Angriffskrieges gegen die Ukraine extrem gestört. Gerade deshalb sind die diplomatischen Kontakte wichtig. Die Treffen im Außenministerium finden regelmäßig statt. Am Freitag hatte der 57-Jährige gemeinsam mit anderen Botschaftern westlicher Staaten auch an der Trauerfeier für den verstorbenen Kremlkritiker Alexej Nawalny teilgenommen.

Russland kämpft nicht nur militärisch gegen die Ukraine – Moskau führt auch einen hybriden Krieg. Gezielte Desinformation und Stimmungsmache gehören seit Jahren zum Rüstzeug russischer Außenpolitik. Immer wieder macht vor allem Dmitri Medwedew, Ex-Präsident Russlands und Vertrauter von Wladimir Putin, davon Gebrauch. Sein Onlinekanal bei Telegram ist voller scharfer Anschuldigungen und Warnungen. Am Sonntag warf er Deutschland vor, sich auf einen Krieg mit Russland vorzubereiten. Alle Versuche, die Aussagen als ein bloßes Gedankenspiel über Raketen und Panzer darzustellen, seien „böswillige Lügen“, schrieb Medwedew, der Vizechef des russischen Sicherheitsrats ist.

Pistorius: Es ist ein hybrider Angriff Russlands zur Desinformation

Bei dem Gespräch von vier deutschen Offizieren, das vom russischen Staatssender RT auf Telegram verbreitet wurde, geht es um theoretische Optionen für einen Einsatz deutscher Taurus-Marschflugkörper durch die Ukraine. Medwedew meint, es sei unklar, ob Kanzler (SPD) über diese „Planspiele“ informiert sei und warnte: Militärs seien in der Lage, Kriege „anzuzetteln oder zu provozieren“.

Schon am Sonntag hatte Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) Besonnenheit gefordert. Bei der Veröffentlichung des Gesprächsmitschnitts handele es sich um einen hybriden Angriff Russlands zur Desinformation. Es gehe um Spaltung der Unterstützer der Ukraine. Moskau wolle die Geschlossenheit des Westens untergraben, erklärte er in Berlin und mahnte: „Wir dürfen Putin nicht auf den Leim gehen.“

Lesen Sie auch: Putins Kalkül geht auf: Warum der Taurus-Leak Scholz düpiert