Tallinn/Moskau. Estlands Premierministerin wirbt unermüdlich für mehr Unterstützung für die Ukraine. Russland schreibt sie nun zur Fahndung aus.

Nur wenige Stunden, nachdem sie die russische Regierung auf die Fahndungsliste gesetzt hatte, reagierte Estlands Premierministerin gewohnt cool auf X (vormals Twitter). Sie kenne solche Methoden aus ihrer eigenen Familie, schrieb Kallas. „Als meine Großmutter und meine Mutter nach Sibirien deportiert wurden, hat der KGB den Haftbefehl ausgestellt“, schrieb die 46-Jährige. Russlands „Werkzeugkasten“ habe sich nicht verändert. Sie sei nicht überrascht, erklärte Kallas weiter. Es zeige nur, dass sie richtig handele und die Unterstützung der Ukraine durch die EU ein Erfolg sei und Russland weh tue.

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Am Dienstag hatte die russische Regierung erneut einen Versuch unternommen, die Premierministerin des kleinen Nachbarlandes (1,3 Millionen Einwohner) einzuschüchtern, indem sie Kallas „wegen einer Strafsache“ auf die Fahndungsliste setzte. Das russische Innenministerium veröffentlichte die Liste auch im Internet. Neben Kallas stehen der litauischen Kulturminister Simonas Kairys und der estnische Staatssekretär Taimar Peterkop darauf. Kreml-Sprecher Peskow erläuterte, es handele sich um „Leute, die feindliche Handlungen gegen die historische Erinnerung und gegen unser Land ausführen“. Nach Angaben von Außenamtssprecherin Maria Sacharowa wird den Gesuchten „die Zerstörung von Denkmälern für Sowjetsoldaten“ vorgeworfen.

Die russische Außenministeriumssprecherin Maria Sacharowa (Archivbild).
Die russische Außenministeriumssprecherin Maria Sacharowa (Archivbild). © Maxim Shipenkov/EPA/dpa | Unbekannt

Russland: Sowjet-Denkmäler werden in baltischen Staaten zunehmend kritisiert

Die russischen Behörden werfen den Balten den Abriss sowjetischer Kriegsdenkmäler vor. „Für Verbrechen gegen das Andenken an die Befreier der Welt von Nazismus und Faschismus muss man sich verantworten. Und das ist erst der Anfang“, schrieb Sacharowa bei Telegram. Sacharowa bezog ihre Aussagen explizit auf Kallas und Peterkop.

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Estland hatte im Sommer 2022, wenige Monate nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine, ein sowjetisches Kriegsdenkmal – die Nachbildung eines Panzers T-34 mit rotem Stern – in Narva an der Grenze zu Russland abgerissen. Dagegen gab es vereinzelte Proteste in der Stadt. „Wir werden Russland nicht die Möglichkeit geben, die Vergangenheit zu benutzen, um den Frieden in Estland zu stören“, begründete Kallas damals unter anderem auch mit Verweis auf die russische Invasion in der Ukraine den Abbau.

Ukraine-Krieg: Baltische Staaten sehen sich durch Russland bedroht

Auch in Litauen wurden nach der russischen Invasion in die Ukraine einige Denkmäler aus der Sowjetzeit demontiert. „Ich bin froh, dass meine Arbeit zur Beseitigung der Ruinen der Sowjetisierung nicht unbemerkt geblieben ist“, kommentierte Kulturminister Kairys seine ihm nur über Medien bekannt gewordene Aufnahme auf die russische Liste.

Die Beziehungen der Ex-Sowjetrepubliken Estland, Litauen und Lettland zu Moskau sind seit der Unabhängigkeit der Baltenstaaten angespannt. Durch den russischen Einmarsch in der Ukraine vor zwei Jahren wurde dies nochmals verstärkt. Estland, Litauen und Lettland befürchten, dass Russland auch sie ins Visier nehmen könnte. Alle drei Länder hatten russische Diplomaten wegen des Ukraine-Konfliktes ausgewiesen.

Estlands Premierministerin Kaja Kallas mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyi
Estlands Premierministerin Kaja Kallas mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyi © Uncredited/AP/dpa | Unbekannt

Kallas steht in Estland seit 2021 an der Spitze der Regierung. Moskau hatte vor einem Jahr bereits die diplomatischen Beziehungen zu Tallinn heruntergefahren und seinen Botschafter zurückberufen. In diesem Zusammenhang warf der Kreml Estland „komplette Russenfeindlichkeit“ vor.

In Estland, Litauen und Lettland stehen hunderte sowjetische Kriegsdenkmäler. Sie wurden von den Einwohnern lange eher verspottet als bekämpft. Mit dem Beginn des Ukraine-Krieges gibt es inzwischen verstärkt Bemühungen zu ihrem Abbau.

tok/dpa